In den Mount Usher Gardens sind die Bäume die Stars. Seit dem 19. Jahrhundert dürfen sie Wurzeln schlagen und ihre Flügel gegen den Himmel strecken. Ein Ausflugstipp für Irland.
Inhalt
Ausflug ins Grün: Mount Usher Gardens in Ashford
Farbenfrohe Blüten und üppige Beete: Wer einen Garten besucht, blickt normalerweise auf den Boden. Dort ragen die zarten Blumenköpfchen frech über den Weg und strecken ihre Blätter mutig die Steintreppen empor. Ein hübscher Anblick. Doch im Garten von Mount Usher ist das noch nicht alles.
Um die wahren Schönheiten zu sehen, muss der Kopf ganz in den Nacken gelegt werden – sonst sind die hohen Wipfel der seltenen, preisgekrönten Bäume nicht zu sehen. Auf Augenhöhe wirken viele der Bäume unscheinbar. Sie geben außer einem dicken Stamm und ein paar Wurzeln wenig preis. Aber in luftigen Höhen breiten sie ihre Äste aus und formen ein buntes Dach. Beschützend und majestätisch. Unten auf der Erde stehen die Spaziergänger zwischen den blauen englischen Hasenglöckchen und starren staunend in den Himmel.
Irische Champions im Wald
„Was für Prachtexemplare“, schwärmt Sean Heffernan, während er liebevoll über das alte Holz streicht. Als Chefgärtner ist er seit elf Jahren für das Wohl des Waldes verantwortlich und stolz auf die vielen international ausgezeichneten Bäume. Alle paar Meter lenkt er den Blick wieder nach oben und erzählt die Geschichte des nächsten Champions – einer von 15. Sie sind das Herzstück des Gartens und führen wie ein roter Faden durch das neun Hektar große Grundstück.
Verschiedene Gartenwelten
Vorbei an alten Mühlsteinen und überquellenden Blumenbeeten geht es durch grüne Torbogen und ovale Öffnungen in Hecken zum Fluss. Mutige überqueren die kleinen Wasserfälle auf der Hängebrücke, Romantiker nehmen die kleineren Holzbrücken. Auf der gegenüberliegenden Flussseite ist auf einer Insel eine verspielte Teichlandschaft mit verschlungenen Pfaden und einem Meer von wilden Blumen angelegt. Ruhe suchende spazieren den Flusslauf entlang und entdecken dabei verträumte Parkbänke und begrünte Steinstufen. Für Sean ist es eine große Ehre in Mount Usher zu arbeiten – und zu leben.
Robinsons Vermächtnis
Sean folgt dem Style und der Tradition von William Robinson. Robinson war ein Gartenguru im 19. Jahrhundert und bekannt für seinen damalig untypischen Zugang. Eine piekfeine Rasenfläche und streng geometrisch gezogene Beete waren ihm ein Dorn im Auge. Alles sollte möglichst wild und natürlich aussehen. Der Boden, sogar im Wald, sollte immer bedeckt sein und Stauden ohne Pflege gedeihen können. Dieser Ansatz gefiel der Walpole-Familie.
1868 brachte Eduard Walepole, ein erfolgreicher Leinenfabrikant aus Dublin, die ersten Pflanzen nach Mount Usher. Er verliebte sich in das Grundstück rund um die Mühle und erweiterte es Stück um Stück. Wo früher die Mühle stand, wurde 1920 mitten in den Garten das Haus der Eigentümerfamilie gebaut. Vier Generation der Walepole-Familie gestalteten den Garten im Sinne Robinsons.
Handarbeit statt Chemie in den Mount Usher Gardens
1980 kaufte Madeleine Jay das Anwesen und achtete weiter auf das biologische Gärtnern. Mit über 90 Jahren starb Madeleine. Das Haus in der Mitte des Gartens wird noch von ihrer Familie bewohnt, der Garten selbst wurde an das Cateringunternehmen Avoca vermietet und ist seit 2007 für die Öffentlichkeit zugänglich.
Verschiedene Generationen, eine Gartenphilosophie: Gartenbesitzerin Madeleine Jay öffnete ihr Paradies der Welt. Gepflegt wird der Garten im biologischen Sinne mit viel Handarbeit und persönlichem Einsatz von Chefgärtner Sean Heffernan.
Heute gilt Mount Usher als eines der am besten erhaltenen Beispiele der Robinson-Philosophie. Hinter der natürlichen Schönheit steckt allerdings jede Menge Arbeit.
„Wer im Garten Chemie sprüht, ist zu faul für die Arbeit.“ Chefgärtner Sean Heffernan
Gejätet und gepflügt wird nur per Hand. „Verlieren wir irgendwo eine Pflanze, wird die Lücke gefüllt“, erklärt Sean. Außer im Wald. Da brauchen die Bäume manchmal den Freiraum. Zu wenig Raum könne für die seltenen Exemplare gefährlich werden und beim nächsten Regen Äste brechen. Veränderungen sieht der Chefgärtner positiv entgegen.
„Wenn etwas im Garten verloren geht, eröffnet sich dadurch immer eine Möglichkeit“, findet Sean.
Naturwunder richtig schätzen
Beim lang gezogenen Palmenweg stolpern Naturfreunde unweigerlich über eine Sammlung von Scheinulmen und Scheinbuchen. Einer der geheimnisvollsten Plätze im Garten ist der Eukalyptuswald. An manchen Stellen fühlt es sich wie mitten im Dschungel an, während auf der nächsten Lichtung Sonnenstrahlen spektakuläre Muster auf die Erde werfen.
„Die Bienen lieben den Wald“, weiß Sean. Hier etwas gegen Schädlinge zu spritzen, wäre unvorstellbar für ihn. Wer sprüht, sei einfach zu faul. Auf Chemie zu verzichten sei nicht leicht und bedeute eben mehr Arbeit.
Bier gegen Schnecken
Bei Führungen wird der Chefgärtner ständig nach Tipps gefragt. Vor allem, was das Schneckenproblem betrifft. Gegen die lästigen Kriecher hat er schon viel ausprobiert – und schwört auf Bier. „Aber auf keinen Fall ein Guiness!“, lacht der Ire. Alle zwei Wochen werden die Schalen mit der grauslich, schleimigen Suppe eingesammelt und ausgetauscht. Die anderen Insekten seien kein Problem. Fragen beantwortet er gerne, nur eines kann er nicht leiden: wenn jemand den Weg verlässt und gedankenverloren die jungen Pflänzchen zertrampelt.
„Mount Usher ist kein wilder Garten, aber einer der durchaus wild aussieht.“ Chefgärtner Sean Heffernan
Hoch schauen und lächeln
Über 80 besondere Bäume sind in einem Begleitbüchlein beschrieben. Darunter die preisgekrönte Kaschmirzypresse, die Spießtanne, die kanarische Kiefer und die Alaskazeder. Als Nachbarn buhlen sie um die Aufmerksamkeit.
Die Bäume sind das Herzstück des Gartens. Viele der Bäume wurden international ausgezeichnet. Die Bäume haben in Mount Usher nicht nur ein beachtliches Alter, sondern auch eine dementsprechende Größe. Ihre Wurzeln sind Wundwerke der Natur. Wer nach oben blickt, entdeckt fantastische Figuren – ohne menschlichen Zwang, natürlich gewachsen.
Den Tulpenbäumen sieht man nicht an, dass sie bereits 1880 gepflanzt wurden und auch die Montezumakiefer aus Mexiko kam schon 1909 in den Garten. Sie überlebten Hochwasser und Stürme. Und bringen die Menschen nach wie vor zum Lächeln.
Fazit: Warum sich der Besuch von Mount Usher Gardens lohnt
Angelegt wurde der Garten ab 1868 von Edward Walpole und seiner Familie nach der Philosophie von William Robinson, dem irischen Gartenguru aus dem 19. Jahrhundert. Zu jeder Jahreszeit ist der Garten besuchenswert. Entlang des Waldweges gibt es über 80 verschiedene Baumarten zu sehen. Nie weit weg ist der Fluss Vartry, der sich harmonisch durch die Gartenräume schlängelt. Hier lassen sich ganz entspannt ein paar Stunden in der Natur verbringen.
Führungen durch den Garten
Chefgärtner Sean Heffernan führt gerne durch den Garten. Die Tour dauert rund 1,5 Stunden und kostet 55 Euro pro Gruppe. Eine Reservierung vorab wird empfohlen. Der Garten ist das ganze Jahr von 10 bis 18 Uhr geöffnet, außer am 25. und 26. Dezember.
Wo befinden sich die Mount Usher Gardens in Irland?
Mount Usher Gardens & Cafés liegen in Ashford/Wicklow, das ist rund eine halbe Autostunde von Dublin entfernt. Im Café gibt es Köstlichkeiten aus eigenem Anbau zu verkosten, in den Shops Nützliches für den Garten zu kaufen.
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Fotos & Videos: Anita Arneitz & Matthias Eichinger.
17 Comments
Sehr schöne Eindrücke, sieht auf jeden Fall sehenswert aus.
Da kann man bestimmt gut die Seele baumeln lassen und entspannen.
Viele Grüße,
Christoph
Hallo Christoph,
du hast absolut Recht, ich könnte in den Gärten Stunden verbringen und die Natur genießen …
Liebe Grüße, Anita