Am Demmerkogel, mitten im südsteirischen Sausal-Sulmtal, wird die positive Energie des Kraftortes genutzt, um Touristen, Einheimische und Menschen mit Behinderung im neuen Begegnungszentrum zusammenzubringen.
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Viel Bewegung und Begegnung am Demmerkogel
Hügel rauf und Hügel runter. Vorbei an Weingärten und dichten Wäldern. Von Leibnitz führt die Sausaler Weinstraße durchs Sulmtal nach Kitzeck. Nach jeder Kurve öffnet sich ein neuer Panoramablick auf die verträumte Landschaft. Doch wohin jetzt? Rechts oder links? Das Navi hat schon bei der letzten Abzweigung aufgegeben. Vielleicht liegt es an der Ausstrahlung des Demmerkogels. Die Einheimischen sagen, es sei ein besonderer Kraftort, der bereits seit Jahrhunderten von den Menschen genutzt wird, um Energie zu tanken.
Guter Boden für neue Ideen
Der Demmerkogel ist mit über 670 Meter Seehöhe der höchste Berg im Sausal. Die erste Aussichtswarte am Gipfel wurde bereits vor über hundert Jahren errichtet. Mittlerweile wurde sie aber durch eine moderne Holzkonstruktion ersetzt. An klaren Tagen kann man von der Warte bis nach Slowenien oder Ungarn blicken.
Ein Wanderrundweg führt vorbei an einem 16 Meter hohen Klapotetz. Ein Klapotetz ist ein für das steirische Weinland typisches Windrad, das einst laut klapperte, um die Vögel von den Weintrauben fernzuhalten. Heute sind zwar noch viele Klapotetze zu sehen, das Klappern ist jedoch nicht mehr zu hören. Dafür wachsen im Schatten der Räder herrlich duftende Heilpflanzen.
Der Boden ist von rund 60 Millionen Jahre altem Schiefer- und Urgestein geprägt – das scheint nicht nur dem Riesling gut zu gefallen, sondern auch den Kräutern und Blumen. Das bestätigt sich ein paar Schritte entfernt im sonnengelb gestrichenem Begegnungszentrum am Demmerkogel. Es ist ein touristisches Vorzeigeprojekt, das auf einem sozialen Gedanken wurzelt und das Leben der Einheimischen bereichert.
Projekt als Privatinitiative
Die Idee dazu hatte Tourismusobmann Johannes Lödler. „Das Konzept sollte zum einen eine Plattform für Selbstvermarkter, Bauern und Private aus der Region sein, um ihre Produkte verkaufen zu können, zum anderen wollten wir Menschen mit Behinderung eine sinnvolle Beschäftigung geben“, erzählt Lödler, während er im Begegnungszentrum hinter dem Tresen steht und Kaffee für die Gäste auf der Terrasse macht.
Dass das Projekt umgesetzt werden konnte, ist der Apothekerfamilie Prentner zu verdanken. Rund 450.000 Euro wurde in den Umbau der alten Schule investiert, die damit zu einem lichtdurchfluteten Begegnungszentrum wurde. Im Erdgeschoss sind der Sausaler Genussladen mit Produkten aus der Region, Naturarzneimitteln der Apotheke „Zur Gnadenmutter“ in Maria Zell und handgemachte Backwaren untergebracht, sowie ein offenes Atelier der Künstlerin Brigitte Wohlmuth und ein freundliches Kaffeehaus mit Aussichtsterrasse. Im ersten Stock betreibt die Lebenshilfe Leibnitz eine Tageswerkstätte und es gibt Räumlichkeiten für Seminare, Vorträge oder Workshops.
Alles rund um Kräuter
Insgesamt sind im Begegnungszentrum 36 Menschen mit Behinderung unterschiedlichen Alters angestellt. Die einen engagieren sich als Koch oder Kellner, andere arbeiten im Shop oder stellen Produkte für den Verkauf her. Acht von ihnen sind echte Kräuterexperten wie Andreas und Corinna. Die beiden nehmen jeden Tag den langen Weg auf den Demmerkogel auf sich, um mit Kräutern zu arbeiten. Rund 180 verschiedene Kräuter werden auf Anbauflächen in der Umgebung für die Apotheke „Zur Gnadenmutter“ angebaut. Dabei wird auf das alte Wissen der Kräuterweiblein und Wurzelklauber zurückgegriffen. Mondphasen spielen zum Beispiel bei der Ernte eine Rolle. In Maria Zell werden die geernteten Kräuter nach traditionellen Rezepten zu Heilmitteln weiterverarbeitet.
Die Apotheke in Maria Zelle wurde 1718 gegründet und feiert bald 300jähriges Bestehen. Bereits im Jahr 1835 hat ein Apotheker die bewährten Tinkturen- und Salbenrezepte fein säuberlich in Hefte geschrieben und sicher auf dem Dachboden verwahrt. Angelika Prentner, Expertin für traditionelle europäische Medizin, hat diese Rezepte an die heutige Zeit angepasst und gibt ihr Heilkräuterwissen in Vorträgen sowie Kursen am Demmerkogel an Interessierte weiter. Die Südsteiermark ist ihre Heimat, über Umwege ist sie nach Maria Zell gekommen.
Heilpflanzen haben sie schon immer fasziniert. „Sie haben eine gesamtheitliche Wirkung und besitzen bis zu 400 verschiedene Inhaltsstoffe“, erzählt die Apothekerin. Die Haupt- und Nebenwirkstoffe unterstützen sich gegenseitig und geben dem Körper Impulse, damit er sich selbst regulieren kann. In der Schulmedizin werde hingegen meist ein Wirkstoff eingesetzt, der punktuell im Körper arbeitet. „Heilpflanzen wirken aber auf Systeme“, sagt Prentner. Die stärkenden Kräfte der Pflanzen können auf den Organismus übertragen werden – zum Beispiel mit Tinkturen, Tees oder einfachen Gerichten wie einem Gänseblümchensalat.
Heilpflanzen vor der Haustüre
Am Demmerkogel wurde daher ein Schaugarten mit verschiedensten Kräutern und Heilpflanzen angelegt. Dieser soll die Vielfalt der heimischen Heiltradition widerspiegeln. Zwischen den Beeten sind Kunstwerke aufgestellt, Sitzbänke laden zum Verweilen und Beobachten ein. Stolz sind Andreas und Corinna auf den Lavendel. Nach der Ernte wird dieser getrocknet und liebevoll in Lavendelsäckchen abgefüllt. Die Lavendelseife verströmt im ersten Stock einen süßlichen Geruch, während anderenorts Lavendelsirup in Flaschen für den Verkauf abgefüllt wird.
Das Begegnungszentrum ist ein offenes Haus, Interessierte werden überall willkommen geheißen und können den Mitarbeitern über die Schulter schauen. Andreas und Corinna kommen gerne hierher und erzählen Besuchern begeistert von ihren Aufgaben oder ihren Hobbys. Andreas trainiert nämlich in seiner Freizeit mit einem Pokercoach, Corinna übt fleißig in der Schwimmhalle für den nächsten Wettbewerb.
Anerkennung und Wertschätzung
„Es ist wichtig, dass Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft integriert werden und mit einer sinnvollen Aufgabe ihren Teil beitragen können“, sagt Lödler. Die offene Atmosphäre im Begegnungszentrum hilft, Berührungsängste und Grenzen abzubauen. Die Beschäftigungsangebote der Lebenshilfe Leibnitz sind breit gefächert und sollen die individuelle Begabung sowie Stärken von Menschen mit Behinderung, egal welchen Alters, fördern und stärken. Ziel ist nicht nur die Integration der Menschen, sondern auch das Schenken von Lebensqualität und Lebensfreude. Mit dem Begegnungszentrum wurde eine Win-win-Situation für alle geschaffen – Einheimische, Touristen und Menschen mit Behinderung. Das Feedback im ersten Jahr war durchwegs positiv.
Kaffee mit Doppelfunktion
Wer das Begegnungszentrum besucht, sollte sich aber Zeit nehmen: Zum einen um in Ruhe im Genussladen zu stöbern, zum anderen um gemütlich einen Kaffee auf der Terrasse zu trinken und die Natur auf sich wirken zu lassen. Damit tut man nicht nur sich selbst etwas Gutes, sondern unterstützt auch das Projekt am Demmerkogel.
Info & Kontakt Demmerkogel
Begegnungszentrum Demmerkogel, Sausaler Genussladen & Café, St. Andrä-Höch 3, www.das-steirische-weinland.at/BGZ Demmerkogel oder www.sulmtal-sausal.atAlle Fotos: Anita Arneitz
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