Fastenurlaub im Kloster: Selbstfindungstrip mit Suppenlöffel

Lesezeit: 7 Minuten

Die Suche nach Ruhe und dem Ich-Gefühl beim Fastenurlaub im Kloster über den Dächern Salzburgs. Eine Woche, in der sich alles rund ums Nicht-Essen dreht.

Kirchenläuten. Kuhglocken. Klospülung. Rettungshubschrauber. Es ist kein Notfall, sondern nur die wenigen Geräusche, die die Stille im Johannes-Schlössl der Pallottiner in Salzburg durchbrechen.

Das Kloster liegt versteckt im Grünen auf dem Mönchsberg – und zu seinem Fuße das Krankenhaus. Für einen Fastenneuling irgendwie beruhigend. Vor meinem Trip ins Kloster höre ich jedes Schauermärchen übers Fasten. Erbrechen, Nervenzusammenbrüche, Schwindel – all das hält mich nicht davon ab, einzuchecken.

Arbeit, Stress, Coronavirus, Essen. Alles war zu viel. Ich sehnte mich nach Ruhe. Abgeschottet von der Welt, nichts hören und nichts sehen. Abstand gewinnen, um sich selbst näher zu sein. Das mit dem Fasten hat sich dann so ergeben. Genauso wie der Ort.

Johannes Schlössl Pallottiner Salzburg
Einchecken Johannes Schlössl Pallottiner in Salzburg

Fasten fängt vorm Urlaub an

Ein paar Tage vor dem Fasten kam ein ausführliches E-Mail. Einfach hinfahren und los legen ist nicht. Man solle doch schon vor der Anreise beginnen, auf Kaffee zu verzichten. Ich bin motiviert und steige um auf Tee. Die Packliste für den Aufenthalt ist lang: Wanderstöcke, Wärmflasche, Trinkflasche, Thermoskanne. Ich schleppe so viel Zeugs mit, dass sich damit locker drei Wochen Survival-Training im Dschungel ausgegangen wären.

Bei der Anreise bin ich die Erste. Ich nutze die Stunden und erkunde den Mönchsberg. Ohne Plan, komplett unvorbereitet und hungrig. Seit den frühen Morgenstunden hat es nichts zu beißen gegeben. Und am Wochenplan steht nichts von Abendessen. Das lässt Panik ausbrechen. Unterwegs habe ich mir nicht einmal etwas zu trinken gekauft und mein Zimmer, in dem ich mich vor den Verlockungen der Welt verstecken kann, ist erst später bezugsfertig.

Zimmer Johannes Schlössl Pallottiner in Salzburg
Mein Zimmer beim Fasten im Kloster

Auf der Pirsch nach Essen

Ich streife durch den Wald in der Hoffnung irgendwo ein Gasthaus zu finden. Plötzlich stehe ich vor dem Museum der Moderne. Da ist sie wieder die Kraft.. Logische Schlussfolgerung: wo ein Museum, da auch ein Shop. Und dann stehe ich vor dem Terrassencafé. Die Sonne scheint. Die Aussicht ist grandios. Unter mir breitet sich die Salzburger Altstadt mit ihren verwinkelten Gassen aus, daneben scheint die ehrwürdige Festung zum Greifen nahe. Liebend gerne hätte ich jetzt etwas zwischen den Zähnen. Aber ich wage mich nicht ins Café. Stattdessen schlendere ich durch den Shop. Ein Getränk tut es auch. Doch es gibt nur Postkarten, Kunstdrucke und hübsche Notizblöcke.

Museum der Moderne am Mönchsberg in Salzburg
Museum der Moderne am Mönchsberg in Salzburg

Ich kaufe eine Eintrittskarte fürs Museum. Erster Stock. Frida Karlo und Marylin Monroe beschäftigen mich. Es geht um Spuren. Welche möchte ich hinterlassen? Wann ist der entscheidende Augenblick? Jetzt? Die Warteschlange vor dem Café hat sich aufgelöst. Gibt es schöne Fehler? Was bedeutet schon die Welt der Dinge? Ich gehe weiter und sehe eine Fotografie mit einer Kuh – sofort kommt mir ein knuspriges Schnitzel in den Sinn. Zweiter Stock. Hier geht’s zum Café, vor dem ich bereits gestanden bin. Dritter Stock. Ich bin begeistert von der multimedialen Ausstellung. Zwei Stunden später sitze ich auf der Terrasse und bestelle Saft sowie eine klare Suppe. Nichts ahnend, dass beides prägend sein wird für meine nächsten Tage.

Aussicht auf Salzburg
Aussicht auf Salzburg

Ankommen im Verzicht

Die Zimmer im Gästehaus sind schlicht, ohne TV, dafür groß mit eigenem Bad und Blick in den Garten. Es wird schnell zum privaten Rückzugsgebiet. Jeden Tag wartet auf dem Bett kurze Geschichte von Mönchen. Eine schöne Geste des Willkommenseins, die zum Nachdenken anregt. Ich packe meinen Koffer aus und lege meine Notfallkekse auf den Schreibtisch.

Fastenseminar im Kloster
Fastenseminar im Kloster

Der Hälfte der Gruppe war nicht bewusst, dass sie ein Fastenseminar gebucht haben. Auch mir nicht. Das dichte Wochenprogramm überrascht und lässt kaum Freiraum. Nach dem obligatorischen Kennenlernen geht’s zum gemeinsamen Saft löffeln. Das Abendessen ist ein Glas gepresster Apfel mit Karotte und Rübe. Ich bin froh am ersten Tag überhaupt etwas zu bekommen und löffle über 20 Minuten an meinem Saft.

Der Trick ist die Langsamkeit“, sagt der Fastenleiter und Qigong-Lehrer Alexander Steinberger.

Jeder Bissen wird bewusst und achtsam gekaut. Es gilt, aus dem Wenigen so viel möglich herauszuholen. Dann die große Entscheidung: Wer nimmt Hardcore-Fasten mit Saft und Suppe nach Buchinger teil? Wer wählt die leichtere Basenfasten-Variante?

Fastensuppe
Fastensuppe

Basenfasten ist auch Fasten

Noch einmal kommen mir die Horrorgeschichten vom Fasten in den Sinn. Auf diese habe ich keine Lust. Ich will mir etwas Gutes tun. Das darf durchaus gesund sein, allerdings ohne dafür leiden zu müssen. Im letzten Moment schwenke ich um. Ich oute mich als Weichei und wähle Basenfasten. Längst hat sich dichter Nebel über meine Gedanken gelegt und der Kopf pocht. Ich schütte eine Tasse Wermut-Tee in mich hinein und lege mich ins Bett. In der nächsten Nacht träume ich so intensiv wie lange nicht. Am Morgen habe ich das Gefühl neben mir zu stehen.

Fastenurlaub im Kloster
Wandern und fasten – diese Kombi funktioniert für mich nicht

Das Frühstück ist ein Lichtblick und wirkt wie Völlerei: Apfel, Banane, Tomaten, Gurken. Dazu ein süßes Mus aus Pflaumen, Datteln und Rosinen. Noch eine Tasse Tee, dann geht’s zum Wandern. Vormittags wird mehrere Stunden gewandert. Das Ziel ist eine Sehenswürdigkeit in oder rund um Salzburg: Schloss Leopoldskron, Schloss Hellbrunn, die Wallfahrtskirche Maria Plain oder der Kapuzinerberg. Fasten mit Sightseeing sozusagen.

Basenfasten Menü
Basenfasten Menü

Mit oder ohne Gruppe: Fastenurlaub im Kloster

Bewegung lenkt ab. Doch ich finde in der Gruppe meinen Rhythmus nicht. Deshalb laufe ich die nächsten Tage auf eigene Faust los. Und das funktioniert. Alleine bin ich mehr bei mir. Ich kann das Gehörte und Gefühlte besser einordnen. Andere brauchen Unterhaltung und Gesellschaft. Schließlich spielt die Gruppendynamik beim Fasten wichtige Rolle. Das Wir und der Austausch tragen über schwere Stunden hinweg. Der erste Fastentag war für mich eine Achterbahnfahrt: Stündlich fühlte ich mich anders. Tendenziell ging es mir nicht gut. Ausgelaugt und erschöpft. Sofort schlief ich bei der Mittagsruhe ein. Es war der erste Leberwickel meines Lebens. Ob er hilft? Keine Ahnung. Ein Nachmittagsschläfchen? Daheim unvorstellbar. Im Kloster hat es Tiefschlafcharakter.

Wandern beim Fasten
Wandern beim Fasten

Es geht nicht ums Gewicht

Am zweiten Tag fühlt es sich an, als wäre ich bereits drei Wochen hier. Nachmittags besuche ich spirituellen Impuls mit Pater Kiefer. Seine Worte berühren. Alle sind da, weil sie etwas verloren haben, etwas los werden wollen, etwas suchen oder finden wollen. Manchmal geht’s ums Gewicht, in Wahrheit aber um viel mehr. Der Pater nimmt sich Zeit für ein Gespräch über Gott und die Welt.

Johannes Schlössl Garten
Johannes Schlössl Garten

Der Kopfschmerz ist weg. Ich freue mich aufs Mittagessen, die Sonne und den Garten. Die Klostermauern geben Halt. Der Fastennebel lichtet sich. Ich weiß, was ich will und was nicht. Ich sage Nein. Ich höre auf meinen Körper und meine Seele. Ohne schlechtes Gewissen. Der Hunger? Der ist da. Aber nicht so aufdringlich wie befürchtet. Ein halber Apfel und ich bin satt. Es fühlt sich nicht an wie Verzicht, weil ich meinen Fokus auf das lenke, was da ist und nicht auf das, was fehlt.

Dachterrasse Johannes Schlössl
Dachterrasse Johannes Schlössl

Während wir Rote-Beete-Suppe löffeln, bekommen die anderen Hausgäste Sachertorte serviert. Ein Pater kommentiert das lächelnd als Übung in Akzesse. Wäre niemand im Raum, hätten sich zwei Fastende längst auf den schokoladigen Genuss gestürzt. Mir macht der Anblick nichts.

Ich freue mich über unseren großen Teller mit Gemüse. Es schmeckt himmlisch. Die Gespräche am Tisch drehen sich immer ums Essen. Ich hätte nicht gedacht, dass es übers Fasten so viel zu sagen gibt. Die Hardcore-Faster sehen inzwischen nicht mehr so fit aus. Sie haben Glaubersalz getrunken, um den Darm von Giftstoffen zu befreien. Das ist beim Basenfasten nicht notwendig.

Speisesaal Johannes Schlössl
Speisesaal Johannes Schlössl

Halbzeit mit Stimmungshoch

Am dritten Tag schreibe ich alles nieder, was mich bewegt. Endlich darf auch alles raus, was im Kopf ist: giftige Erinnerungen und Gedanken, die nicht mehr gebraucht werden. Das beruhigt den Geist. Schließlich geht’s beim Fasten ums Loslassen und neu Ordnen. Abends heißt es, Suppe löffeln, Dachterrasse besichtigen, Spaziergang im Finsteren und Vortrag. Die Stimmung bei den Hardcore-Fastern scheint am Boden zu sein. Typisch. Es ist der dritte Tag. Da ist es am Schlimmsten. Ich ergreife die Flucht. Nach 20 Uhr bin weder aufnahmefähig noch gruppenkompatibel.

Pallottiner Pater Rüdiger Kiefer
Impuls von Pallottiner Pater Rüdiger Kiefer

Mein Fazit: Fastenurlaub im Kloster

Der Hunger wird weggetrunken. Drei bis vier Liter Wasser und Tee über den Tag verteilt – eine unglaubliche Menge für mich. Inzwischen habe ich meinen Rhythmus gefunden. Beim Mittagstisch werden euphorisch Pläne geschmiedet.

Festung Hohensalzburg
Festung Hohensalzburg

Die Stimmung steigt, die Teilnehmerzahl bei Gymnastik und Wandern sinkt. Ich bin nicht mehr die Einzige, die ihren eigenen Weg gehen will. Ich ziehe meine Runde im Wald und mache Yoga am Zimmer. Das bringt den Kreislauf nach dem Leberwickel in Schwung. Die Energie kommt zurück. Ich habe durchgehalten. Die Notfallkekse liegen ungeöffnet vor mir. Ich werde sie nicht mehr brauchen. So schlimm ist Fasten doch nicht.

Mirabellgarten Salzburg
Ausflug zum Mirabellgarten Salzburg

Wissenswertes für den Fastenurlaub in Salzburg

Anreise: mit dem Zug nach Salzburg und vom Bahnhof entweder mit dem Taxi oder dem Aufzug auf den Mönchsberg.

Johannes-Schlößl der Pallottiner: im 14. Jahrhundert erbaut, seit 1926 im Besitz der Pallotiner, heute leben sieben Patres im Haus, angeboten werden Kloster- und Wanderfasten nach Buchinger/Lützner sowie Basenfasten mit Intervallfasten, Gästehaus mit 91 Betten, wer möchte, nimmt morgens am Gottesdienst teil, www.johannes-schloessl.at

Fasten im Kloster in Österreich: www.kloesterreich.com

Fastenleiter Alexander Steinberger: https://fastenapfel.de/

Wanderung zur Richterhöhe in Salzburg
Wanderung zur Richterhöhe in Salzburg

Mönchsberg: Naherholungsgebiet über den Dächern der Altstadt, mit vielen Wanderwegen sowie dem Museum der Moderne Salzburg, www.mdmsalzburg.at

Basenfasten: Basenkur, die den Körper entlastet und entsäuert, 16 Stunden wird gefastet, dann folgen zwei basische Mahlzeiten mit Obst oder Gemüse innerhalb von acht Stunden, rund 1000 Kalorien am Tag sind erlaubt, ebenfalls Aufbauwoche danach empfohlen

Fasten nach Buchinger/Lützner: erlaubt sind ausschließlich Säfte, Suppen, Kräutertee und Wasser mit rund 480 Kalorien am Tag, zielt komplett auf Fettverbrennung ab, Methode geht auf einen Marinearzt aus dem ersten Weltkrieg zurück, 1 Woche danach Aufbauphase

Fastenurlaub im Kloster
Fastenurlaub im Kloster

Text & Fotos: Anita Arneitz. Mit freundlicher Genehmigung der dpa.

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