Wohin verschwinden die Koffer am Flughafen Graz? Warum piepst die Sicherheitskontrolle immer bei mir? Was passiert wirklich im Tower? Und wo wird die Flugzeugtoilette entleert? Antworten auf diese Fragen gibt es bei einer Führung durch den Flughafen Graz.
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Flughafen Graz – bei einer Führung andere Perspektiven gewinnen
Morgens halb zehn in der Abflughalle Graz. Von der üblichen Hektik oder dem Stress auf Großflughäfen ist nichts zu merken. Auch das fröhliche Urlaubsgewusel mit bunten Koffern, aufgeregtem Kinderlachen und sonnenhungrigen Großeltern hat noch nicht eingesetzt. Es bleibt ein wenig Zeit, um einen Kaffee auf der Aussichtsterrasse zu trinken und bekannte Gesichter zu begrüßen. Im Hintergrund, fast unbemerkt, haben sich aber schon längst die logistischen Rädchen zu drehen begonnen.
Ein Flughafen ist ein sehr komplexes Gebilde. Es ist spannend, was alles rund um den Kernprozess, also das Landen eines Flugzeuges sowie das Ein- und Aussteigen der Passagiere, passiert“, erzählt Gerhard Widmann, Geschäftsführer vom Flughafen Graz.
Rund 900 Beschäftigte sind am Standort in rund 50 Unternehmen tätig, davon rund 200 direkt beim Flughafen. „Der Flughafen ist ein wichtiger Motor für die regionale Entwicklung und Standortattraktivität von Graz sowie der gesamten Steiermark“, bestätigt Widmann. Seit über 16 Jahren ist er mit dem Flughafen eng verbunden und konnte einige Meilensteine der Geschichte wie die Eröffnung des neuen Terminals und das stetige Wachstum miterleben. „Im vergangenen Jahrhundert hat sich in der Luftfahrt Gewaltiges getan. In den 60er-Jahren konnte sich ja niemand vorstellen, wie sich der Flugverkehr entwickeln würde.“ Damals wurden pro Jahr rund 1.000 Passagiere abgefertigt, 2008 knackte man erstmals die Millionengrenze. Von A wie Antalya bis Z wie Zürich werden heute von Graz aus rund 50 Destinationen direkt angeflogen. Dazu kommt ein moderner Cargoterminal, der mehrere Tausend Tonnen Fracht in ferne Länder verschickt.
Das erste Flugzeug landet
Auf dem Gelände wurde schon lange, bevor das erste Flugzeug gebaut wurde, gehandelt. Bei der Erweiterung der Landebahn entdeckte man die Überreste einer über 1.800 Jahre alten, herrschaftlichen römischen Villa. Mit über 70 Räumen und einer Länge von rund 180 Metern gilt diese als größter Landsitz des römischen Österreichs. Bereits damals dürften die Geschäfte gut gelaufen sein: Die Villa verfügte über Fußbodenheizung, Mosaikböden, Wandmalereien und einen eigenen Wellnessbereich. Ein kleiner Teil der archäologischen Funde ist im Flughafen ausgestellt.
Geschichte des Flughafens Graz
Die Geburtsstunde des Flughafens selbst war der 26. Juni 1914 mit dem ersten Abflug vom errichteten Militärflughafen. Die ersten Jahrzehnte waren geprägt vom Militär – und auch von traurigen Ereignissen. So war von 1914 bis 1917 am Flughafenareal ein Internierungslager für Zivilpersonen aus Bukowina und Galizien eingerichtet. Eine Gedenktafel erinnert an die rund 1.800 Verstorbenen. Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Rückzug der Besatzungsmächte wurde aus dem Militärflughafen einer für die zivile Luftfahrt mit Fallschirm- und Motorflugschule. Das wirtschaftliche Wachstum begann.
Flughafen Graz als Begegnungszentrum der Zukunft
„Die Entwicklung des Flughafens hat durchaus die Entwicklung des Wirtschaftsraumes Graz beeinflusst“, ist Widmann überzeugt. Obwohl der Flughafen fast neun Kilometer vom Stadtzentrum entfernt liegt, wurde er zu einer Art Begegnungszentrum für die Grazer. Im Konferenzzentrum werden Businessmeetings abgehalten, im Restaurant Geburtstage gefeiert oder schnell mal im Supermarkt ein paar Lebensmittel fürs Wochenende eingekauft. Diese Funktion soll in Zukunft noch weiter ausgebaut werden. Widmann wünscht sich einen lebendigen Flughafen, der mehr ist als das steirische Tor zur Welt. „In den nächsten Jahren brauchen wir uns um den Flughafen keine Sorgen zu machen, wir sind für die Zukunft gut aufgestellt und in einen starken Wirtschaftsraum eingebettet. Graz ist eine interessante Stadt, die auch touristisch als Kulturhauptstadt Europas einen irrsinnigen Schub erfahren hat.“ Auch die Koralmbahn wird, wenn sie fertiggestellt ist, direkt beim Flughafen halten.
Warten auf die Frankfurter
Morgens halb zehn auf dem Vorfeld.
Gott sei Dank, die Frankfurter kommen!“, sagt Germaine Frank und blickt erleichtert zur Maschine in den blitzblauen Himmel, die sich mit ein paar Minuten Verspätung nähert.
Keinen „Vogel“ aus der Nähe zu sehen, wäre für die Kindergartengruppe eine Enttäuschung gewesen. Aber jetzt stehen alle brav hinter der Sicherheitslinie und beobachten die Landung. Nur ein kleiner Bub zupft Frank am Ärmel und fragt: „Gibt es jetzt Würstel?“ Solche Erlebnisse bleiben der Belgierin lange in Erinnerung. Vor 40 Jahren verliebte sie sich in einen steirischen Skilehrer.
Heute führt Germaine Frank als grazguide unter anderem am Flughafen Graz Interessierte in Bereiche, die man als normaler Besucher nicht betreten darf. Selbst Vielreisende werden dabei mit neuen Fakten und Anekdoten überrascht. Zwischen Marktcafé, VIP-Lounge und Feuerwehrbereich gibt es endlich Antworten auf brennende Fragen wie „Wohin verschwinden die Koffer?“, „Warum piepst die Sicherheitskontrolle immer bei mir?“, „Was passiert wirklich im Tower?“ und „Wo wird die Flugzeugtoilette entleert?“.
Führungen können direkt beim Flughafen Graz oder der Erlebniswelt Wirtschaft gebucht werden. Es lohnt sich!
Weitere Tipps für Graz und die Steiermark:
Dieser Beitrag wurde für das Buch „Graz – Porträt einer Stadt“ geschrieben. In diesem Buch gibt es noch viele weitere geniale Tipps abseits der Touristenpfade, exklusiv von Einheimischen erzählt. Erhältlich in jeder Buchhandlung.
Fotos: Anita Arneitz & Matthias Eichinger
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