Zwei Generationen, eine Leidenschaft: Seit vierzig Jahren fertigen Manfred Smejkal und sein Sohn Michael per Hand edle Messing-Schmuckstücke mit Naturmotiven. Ein Einblick in eine der letzten Gürtler-Werkstätten Wiens.
Inhalt
Alles über die Zunft der Gürtler
Wer als Ritter etwas auf sich hielt, ließ sich sein Waffengeschirr und seine Wehrgehänge mit Schnallen und Applikationen verzieren. Kunstvolle Blumenranken, Wappen mit sagenhaften Tiermotiven und geheimnisvolle Symbole aus der Natur waren darauf zu sehen. Das Gleiche galt für die schweren Ehrenketten, die sich Adelige und Würdenträger zu besonderen Anlässen um den Hals hängen ließen, oder die Medaillen, die bei einem Sieg überreicht wurden.
Auch das Kettenhemd wurde nur bei den Besten in Auftrag gegeben – und das war die Zunft der Gürtler. Sie waren für das Bearbeiten und Verformen von Metall zuständig. Dazu zählten vor allem Buntmetalle, Messing, Tombak, Kupfer, Aluminium und Eisen. Und noch heute sind in Wien, der einstigen Hochburg der Gürtler, ein paar Handwerker ihres Fachs zu finden. Aber weil Kettenhemden und Gürtelschnallen heute nicht mehr so gefragt sind, hat sich jeder auf einen anderen Bereich spezialisiert.
Bijouterie als Handwerk
Manfred und Michael Smejkal sind die letzten Bijouterie-Gürtler in der Stadt. In ihrer kleinen Werkstätte im siebenten Wiener Gemeindebezirk fertigen nach traditioneller Art Ketten, Medaillen, Gürtelschnallen und Verschlüsse. Hauptsächlich für Theater, Trachtenschmuck-Erzeuger, Bundesheer, Traditionsvereine und große Firmen, die Wert auf Handwerk aus Österreich legen.
„Heute kennt kaum jemand mehr den Beruf des Gürtlers“, erzählt Michael Smejkal. Deshalb wird seine Arbeit oft mit jener des Goldschmiedes verwechselt. „Das ist aber etwas ganz anderes“, stellt der Bijouterie-Gürtler klar. Auch mit dem Gürtel hat ein Gürtel nichts zu tun. Außer wenn es um die Erzeugung einer kunstvoll verzierten Gürtelschnalle aus Metall geht.
Woher kommt die Berufsbezeichnung des Gürtlers?
Das Handwerk des Gürtlers lässt sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen. In Wien wurde dieser erstmals erwähnt als er Waffengeschirr und Wehrgehänge für Ritter mit Schnallen und Applikationen verziert hat. Mit Gürtel im eigentlichen Sinn hat der Gürtler nichts am Hut, außer bei der Erzeugung von Gürtelschnallen. Der Name kommt daher, weil er Kettenhemden gegürtet hat.
Kreativität und Tradition
Früher produzierten die Bijouterie-Gürtler hauptsächlich Ketten für Gürtler, Gürtelschnallen und Modeschmuck. Doch mit der Konkurrenz aus den Billiglohnländern können die Handwerker nicht mehr mithalten. Vielen gehe es nur noch um den Preis eines Stückes, nicht mehr um die Qualität. Deshalb fertigen die Bijouterie-Gürtler inzwischen überwiegend Verschlüsse für Trachtenmode, Ketten und Ehrenketten oder Medaillen.
„Besondere Stücke auf die wir stolz sind zum Beispiel Nachbauten von alten Stücken wie einer antiken Ordenskette für die Bühnenproduktionen oder diverse Theaterkronen“, verrät Michael Smejkal und ergänzt: „Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, wenn der Kunde sagt: Genauso hatte ich mir das vorgestellt!“
Emotional am meisten verbunden fühlt sich der Gürtler mit seinem Gesellenstück: „Mein schönstes Stück war eine Buchstütze mit einem Motiv einer berühmten Science-Fiction-Serie“, verrät Michael Smejkal.
Was Gürtler heute machen
Die Smejkals haben sich auf Bijouterie-Gürtlerei sowie das Kettenmachen spezialisiert und beliefern hauptsächlich Theater, Trachtenschmuckerzeuger, Bundesheer und Traditionsvereine. Früher lag die Produktion hauptsächlich auf Lusterketten, Gürtelschnallen und Modeschmuck. Doch im Laufe der Zeit hat sich viel verändert. Die Zukunft des Gewerbes in Österreich ungewiss, weil heute nicht mehr Qualität, sondern nur noch der Preis zählt. Michael Smejkal ist Wiens letzter Bijouterie-Gürtler und Kettenmacher in unedlem Buntmetall.
Wir sind wie aussterbende Dinosaurier, die letzten ihrer Art.“
Was fasziniert an dem alten Handwerk?
Für den Wiener Gürtler ist es das Löten. „Die Macht und die Eleganz der Flamme, die mit einem Fügemittel, dem Lot, zwei oder mehrere Stücke unter der Hitzeeinwirkung verbindet. Aber auch schon als kleiner Bub sah ich die Kettenautomaten laufen und bestaunte die Kraft der Presse“, erzählt er.
Die Begeisterung für das Handwerk hat er von seinem Vater vererbt bekommen. Bereits als kleiner Bub schaute er seinem Vater bei der Arbeit über die Schulter. Inzwischen ist die kleine Gürtlerei fast 40 Jahre in Familienbesitz. Seit damals besteht die Werkstatt fast unverändert.
Die alten Maschinen wie der Kettenautomat oder die Presse halten einfach ewig. Auch die Arbeitsschritte sind gleich geblieben: Sägen, feilen, löten, nieten, bohren, fräsen, drehen, schleifen, biegen – bis aus dem Metall ein Schmuckstück wird. Bei Schmuckstücken wie Dirndlverschlüssen oder Gürtelschnallen wird zuerst die Form aus einem Metall gestanzt und dann bearbeitet. Damit die Teile am Ende schön glänzen, werden sie mithilfe von Sägespänen getrocknet.
Kettenproduktion per Hand
Jeder Schritt ist mühsame Handarbeit. Genauso wie bei der Herstellung von Ketten. Je nach Größe und Form, werden diese komplett per Hand gefertigt oder der Kettenautomat aktiviert. Für klein-gliedrigere Ketten wird mithilfe des alten Holzspinnrades ein Draht zu einer Spirale verdreht, damit die Ringe entstehen. Diese wird dann auf der Kreissäge Marke Eigenbau aufgeschnitten und mit zwei Flachzangen zu einer Kette „verstrickt“.
Kraft und Feingefühl – beides ist dabei gefragt. „Und man muss stets aufpassen, das richtige Glied einzuhängen, damit das Muster passt“, erklärt Manfred Smejkal. Bei den Ehrenketten kommt eine aufwendige Verzierung hinzu.
Wo noch am Spinnrad Ketten aus Metall entstehen
Im Gegensatz zum Goldschmied fertigen Bijouterie-Gürtler meist größere Ketten in unterschiedlichen Stärken und Längen. Die zarten Ketten werden von den Gürtlern per Hand aufgewickelt und zusammen „gestrickt“. Die klobigen Teile rattern durch den Kettenautomaten, der seit Jahrzehnten gute Dienste leistet.
Happy End auf der Bühne – dank der Gürtler
Das Schöne an dem Beruf? Über diese Fragen müssen Vater und Sohn nicht lange nachdenken. „Man muss immer kreativ sein und auch improvisieren können“, finden die beiden. Langweilig wird es den beiden nie. Sie sind stolz auf ihr Handwerk und zeigen es auch.
Für ein Theater fertigten sie einmal eine aufwendige Wappenkette für den Herold des Ordens vom goldenen Vlies. Eigentlich sollte diese im gespielten Stück dem Träger herunter gerissen werden. Doch das wollte der Kettenmacher nicht. Zu viel Arbeit und Herzblut steckte in der Handarbeit. Kurzerhand konnte er die Theaterproduzenten überzeugen und sie schrieben das Stück um, damit die Kette im Ganzen erhalten blieb.
Beruf der Gürtler
Schon seit jeher gibt es im Handwerk der Gürtler unterschiedliche Spezialisierungen. Die einen stellen Lüster her, die anderen Kirchen- und Tafelschmuck, Geländer, Tore oder Ketten. Inzwischen wird der Lehrberufs des Gürtler als Metalltechniker oder -designer bezeichnet. Wien war einst neben Nürnberg und Berlin eine Hochburg der Gürtler.
Gürtler Werkstatt Smejkal
Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Werkstatt im siebenten Wiener Gemeindebezirk gegründet. 1979 übernahm diese Manfred Smejkal, die seit 2003 von seinem Sohn Michael weitergeführt wird. Telefon 01/9714352, Mondscheingasse 3, 1070 Wien.
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Fotos: Matthias Eichinger
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