Kunsthaus Graz: ein Besuch beim „friendly alien“

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Das Kunsthaus Graz hat sich aufgrund seines Aussehens zum architektonischen Wahrzeichen der Stadt gemausert. Warum sich ein Besuch lohnt, verrät die gebürtige Steierin Regina Rauch-Krainer, die inzwischen im gesamten Alpen-Adria-Raum besondere Orte aufspürt.

Kunsthaus Graz – eine Architektur, die anzieht

 

„Die Kultur einer Stadt erfasst man durch ihre Geschichte, aber vor allem auch durch die Geschichten der Menschen, die in einer Stadt lebten oder leben. Diese zu erfahren erfordert viel Interesse und Zeit. Und die Bereitschaft, sich darauf einzulassen“, sagt Regina Rauch-Krainer, während wir im Kunsthauscafé unter dem Sonnenschirm sitzen und das Gewusel der Menschen rund um den „friendly alien“, wie das Kunsthaus Graz aufgrund seines futuristischen Aussehens von den Grazern genannt wird, beobachten. Die gebürtige Steirerin trägt die Reiselust in sich und lebte viele Jahre im Ausland. Aber Graz holt sie irgendwie immer wieder in ihrem Leben ein. „In meiner Kindheit waren es die Fahrten von meinem kleinen Heimatort in der Südoststeiermark in die große Stadt, die dann oft mit einer Straßenbahnfahrt zum Kastner&Öhler-Modehaus ihre Krönung fanden. Später fuhr ich wieder Straßenbahn – von Liebenau nach St.Leonhard – um dort das Gymnasium zu besuchen.“ Gleich ums Eck sozusagen wechselte sie dann zur Karl-Franzens-Universität, um Betriebswirtschaft zu studieren. „Per Zufall kam mein Sohn in der Murmetropole zur Welt. Er wollte nicht so lange wie Neunmonatekinder warten und packte die Gelegenheit als ich einmal in der Stadt war beim Schopf, um ein gebürtiger Grazer werden“, erzählt Rauch-Krainer. Nach vielen Berufsjahren in Wien, Berlin, Straßburg und Klagenfurt im Tourismus, Marketing und der Erwachsenenbildung hat Graz die unternehmenslustige Steirerin wieder. Sie leitet den Kultur-Reiseveranstalter TLS Reisekultur mit Firmensitz in Graz.

Regina Rauch-Krainer, TLS Reisekultur, Foto Anita Arneitz
Regina Rauch-Krainer von TLS Reisekultur erzählt über ihre Arbeit

Gespür für Geheimtipps im Alpen-Adria-Raum

„Wir verstehen uns als Kulturreiseveranstalter für Gruppen-Kurzreisen im Alpen-Adria-Raum sowie mitteleuropäischen Nahbereich. Das Gute liegt so nah, ist dabei eine unserer ersten Devisen, da wir uns der vielen Kunst-, Kultur- und Reiseschätze in angenehmer Distanz bewusst sind.“ Ihre Reisen sind konsequent kulturellen Themen gewidmet. Ganz wichtig sind ihr dabei einzelne Programmpunkte und Ziele, die einem Individualreisenden in den meisten Fällen nicht zugänglich sind sowie das Aufmerksammachen auf neue oder andere Sichtweisen beim Kulturreisen. „Und wir wollen aktuell Interessantes zeigen und die Geheimnisse um unbekannt Attraktives lüften. Ja, wir sind vielleicht eine Art Geheimtipp-Veranstalter“, erklärt Rauch-Krainer.

Immer wieder nimmt sie Reisen nach Graz in ihr Programm auf. „Wir wollen unseren Gästen das Graz der Grazerinnen zeigen Und das anhand traditioneller bis zeitgenössisch innovativer Geschäftslokale und Gaststätten. Jene Plätze, an denen die Einheimischen arbeiten oder die sie in ihrem Alttag zwecks Shopping oder Kaffeepause aufsuchen.“ Es sind also Tagestouren von einem Grazer Platz zum anderen, wo neben den einzelnen Geschäftsplätzen an sich, vor allem deren Betreiber und Besitzer mit ihren Hintergrundgeschichten im Mittelpunkt stehen. Ein etwas anderer Zugang zu einer Stadt, der sehr viel Rechercheaufwand bedeutet. Einen großen Teil davon erkundet Rauch-Krainer im Vorfeld selbst und ist darüber sehr froh. „Ich will stets Neues erfahren, erleben, erfühlen und schauen, was hinter den Dingen steckt. Es ist ein anderer Zugang zu Land und Leuten, der immer wieder für große Aha-Effekte sorgt, diese möchte ich auch meinen Gästen auf unseren Reisen ermöglichen.“ Letztendlich sei das Spannende immer wieder die Begegnung mit Menschen, von ihnen nehme man am meisten mit nach Hause.

Kunsthaus Graz, Steiermark, Foto Matthias Eichinger, www.anitaaufreisen.at

Liebeserklärung an Graz

Graz ist für mich einfach chic, gemütlich und hat Stil – von den barocken Bauten bis zu den innovativen Geschäften. Es ist für mich irgendwie parade-steirisch mit einem Schuss mediterranem Flair“, schwärmt Rauch-Krainer.

Durch ihre langjährige Tätigkeit bei der Österreich Werbung hat sie die Entwicklung des Konzeptes zur Kulturhauptstadt mit großem Interesse verfolgt. „Ich finde, dass es den damals Verantwortlichen recht gut gelungen ist, mit den unter anderen einschneidenden baulichen Maßnahmen Graz nachhaltig als Kulturstadt zu positionieren. Sowohl das Bewusstsein ums kulturelle Erbe und Potenzial der Stadt als auch das Selbstbewusstsein hat sichtlich zu wachsen begonnen.“ Architektonisch prägte das Kunsthaus das Stadtbild wie kein anderes Gebäude. Die Londoner Architekten Peter Cook und Colin Fournier gewannen den internationalen Wettbewerb und legten am rechten Murufer ein Ufo neben das Eiserne Haus aus dem Jahr 1848 mit seiner denkmalgeschützten Gusseisenkonstruktion, in dem heute das Kunsthauscafé, das Kunsthaus-Foyer, Büros und die Ausstellungsräume von Camera Austria untergebracht sind. Architekt Peter Cook sagt zur kurvigen Form des Gebäudes: „Nur sehr schwache Städte können kein Bauwerk mit einer starken Persönlichkeit vertragen. Ein Gebäude aber wird genauso wie eine Person umso interessanter, je tiefer wir darin eintauchen und je besser wir es kennenlernen.“ Für ihn sei das Kunsthaus in diesem Sinne ein rundliches, lächelndes Gesicht, das einem freundlich zuzwinkert und einlädt, in sein Inneres, ins Unbekannte vorzudringen.

Kunsthaus Graz, Steiermark, Foto Matthias Eichinger, www.anitaaufreisen.at

Kunsthaus Graz: Blick ins Innere

Wer durch die blau schimmernde Hülle ins Gebäude tritt, ist im ersten Moment überrascht von der Helligkeit und dem großzügigen Raum. Auf einem 30 Meter langen mechanischen Laufband, von den Architekten als Travelato oder Pin bezeichnet, geht’s zur ersten Ausstellungsebene. Ein zweites Laufband führt zur zweiten Ebene, die bis zu acht Meter hoch ist. Durch die Nozzles fällt Licht in die Räume. Eine davon ist genau auf den Schlossberg und die roten Dächer der Innenstadt ausgerichtet. Insgesamt  gibt es 16 Nozzles, die aus den Acrylplatten außen ihre Öffnungen in den Himmel strecken. Für die geschwungene Außenfassade wurden über tausend Acrylglasplatten verbaut. An sonnigen Tagen spiegelt sich in ihnen Aus der Bubble werden die Besucher dann in die Needle entlassen, einem weitläufigem Raum mit über 35 Metern Länge.

Wer das erste Mal das Kunsthaus besucht, lässt sich von den spielerischen Elementen schon einmal zwischendurch von der Ausstellung ablenken. In wechselnden Austellungen werden österreichische und internationale Kunst seit 1960 gezeigt. Das Kunsthaus selbst versteht sich als Ausstellungszentrum für Gegenwartskunst, dem offene und lebendige Begegnungen mit allen Menschen wichtig sind. Deshalb werden neben Ausstellungen in der Reihe Offenes Haus Performances, Workshops oder Vorträge organisiert. Für die nächsten fünf Jahre hat die Leitung des Kunsthauses eine Frau übernommen: Die Kunsthistorikerin Barbara Steiner setzte sich gegenüber über 30 Bewerbern durch und arbeitet bereits an neuen Ideen. Die Möglichkeit zur Bespielung des Kunsthauses sind groß.

Kunsthaus Graz, Steiermark, Foto Matthias Eichinger, www.anitaaufreisen.at

Blinkende Botschaften an der Mur

Das Besondere am Kunsthaus Graz ist nicht nur die Architektur, sondern auch, dass es Innen und Außen bespielbar ist. Auf der Murseite bekam das Kunsthaus eine BIX Medienfassade von den Berliner Designern realtities:united. Diese macht die Hülle zu einem riesigen Bildschirm, der für künstlerische Projekte genutzt werden kann. Die rund 900 Quadratmeter große Medieninstallation besteht aus 925 Lichtringen. Jeder dieser Lichtringe kann zentral von einem Computer gesteuert werden und so Zeichen, Texte oder Filmsequenzen entstehen lassen, die sich über die gesamte Ostfassade ziehen. Die Außenfassade wird so zum Leben erweckt und fungiert als Botschaftsüberbringer. Jedes Monat werden zu einem bestimmten Thema, das meistens im Zusammenhang mit der aktuellen Ausstellung steht, Licht-Telegramme aus der Bevölkerung gesammelt und am letzten Sonntag des Monats über die Fassade in den öffentlichen Raum projiziert. Jeder kann seine Botschaft per Onlineformular über die Webseite einreichen.

Entspannte Auszeit beim Kunsthaus Graz

Rauch-Krainer besucht das Kunsthaus Graz gerne, weil es immer etwas Neues zu entdecken gibt. „Natürlich ist es in erster Linie die außergewöhnliche Architektur, die für die Stadt Graz einen bedeutenden, neuen Akzent setzte. Ich kann dieser ganz eigenen Atmosphäre, die sich aus der räumlichen Großzügigkeit des Museums ergibt, sehr viel abgewinnen. Sie geht geht wunderschön einher mit dem weiten Blick über die Stadt vom Dach aus. Dieses Bild auf die Murinsel, den Schlossberg und das Getümmel der Stadt sollte man sich nicht entgehen lassen. Und last but not least bietet das Kunsthaus tolle zeitgenössische Ausstellungen.“ Deshalb bezahlen wir unseren Café und lassen uns von der gigantischen Luftblase für ein paar Stunden verschlingen.

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Graz Portrait einer Stadt

 

Dieser Beitrag wurde für das Buch „Graz – Porträt einer Stadt“ geschrieben. In diesem Buch gibt es noch viele weitere geniale Tipps abseits der Touristenpfade, exklusiv von Einheimischen erzählt. Erhältlich in jeder Buchhandlung.

 

 

 

 

Fotos: Matthias Eichinger

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