Ugly Tour Wien: Was Menschen an hässliche Ort zieht

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Unter Dark Tourism fallen nur morbide Orte? Nicht ganz. Ein Brite zeigt „the dark side of Vienna“ und meint damit architektonische Sünden im Stadtbild Wiens. Stippvisite bei der Ugly Vienna Tour.

Sightseeing mal anders: Ugly Tour Vienna

„Wien ist so schön, die Stadt brauchte einfach eine Ugly Tour“, erinnert sich Eugene Quinn an die Anfänge seiner Stadtführung der anderen Art. Auf die Idee kam er im Zuge des Songcontests 2015 in Wien. „Der Song Contest steht für Kitsch und schlechten Geschmack. Ich wollte mit Wiens zuckersüßem, perfektem Image spielen und als Gegenpol die zeitgenössische und eben abgründige Seite zeigen“, erklärt der Wahlwiener, dessen Markenzeichen die orange Hose mit den Leuchtstreifen der MA 48 ist. Das Vorhaben kam gut an, mittlerweile führt er mit dem Verein „space & place“ seit drei Jahren einmal monatlich unter dem Motto „Vienna Ugly“ zu diesen besonderen Orten. Das Publikum sind nicht nur TouristInnen, sondern stets auch interessierte WienerInnen.

„WienerInnen genießen ja das Dunkle. Genau mit dieser melancholischen Seele, die Wien nachgesagt wird, spielt der Spaziergang“.

„Stadtführung“ darf Eugene seine Unternehmung nämlich gar nicht nennen.Die Ugly Tour gilt sogar als illegal, denn der Beruf Fremdenführer ist in Wien geschützt. Zwei Mal musste er bereits knapp 400 Euro Strafe zahlen, weil er keine staatliche Prüfung abgelegt hat. Die Wirtschaftskammer, die professionelle Fremdenführer-Lizenzen vergibt, vertritt die Meinung, er sei nicht qualifiziert. Nach vielen Diskussionen einigten sich beide Parteien darauf, dass Eugene künftig „keine sehenswerten Dinge“ mehr auf seiner Tour zeigen dürfe. Wie passend, dass er ohnehin nur Hässliches zeigen will, denn

„Hässliches ist niemals langweilig. Schönes hingegen schon. Das Schöne ist irgendwie banal“.

Ein Spaziergang dauert rund zwei Stunden, gezeigt wird ein Bauwerkdann, „wenn sich Architekturbüros zwar ganz offensichtlich etwas überlegt haben, das Ganze aber nicht richtig ankommt“. „Dunkler Humor und Tourismus passen wunderbar zusammen“, ist Eugene überzeugt. Der rege Zulauf zu seinen Spaziergängen ist wohl der beste Beweis. Wir haben uns mit ihm zu den architektonischen Fehltritten der Stadt begeben.

Der Flakturm beim Augarten

Bei strahlend blauem Himmel starten wir bei einem ein düsteren Kapitel Geschichte: die sechs Wiener Flaktürme, monströse Überbleibsel des Dritten Reichs und gleichzeitig symbolhaft für Zwangsarbeit. „Weltweit gibt es nur 20 dieser Türme. Wien wurde mit gleich sechs Flaktürmen prominent auf die Nazi-Landkarte gesetzt“, sagt Eugene ironisch.

Die Stahlbeton-Bunker sollten der Bevölkerung Schutz suggerieren und oben befindliche Geschütze die Abwehr von Flugangriffen ermöglichen. Zwei der Flaktürme befinden sich im Augarten in der Leopoldstadt. Durch Sprengungen sind sie innen schwer beschädigt. Wir sind uns alle einig: Schöner wäre es hier ohne Flaktürme. Andererseits dienen sie als wichtiges Mahnmal an die Gräuel des. 2. Weltkrieges.

Ein Dachausbau am Karmelitermarkt

Der Karmelitermarkt, das Herz des 2. Bezirks, hat sich in den letzten Jahren zu einem Szene- und Kreativviertel entwickelt. Und steht oft im Zentrum von Gentrifizierungs-Diskussionen. Genauso gegensätzlich wie der vegane Imbiss neben dem schon immer dagewesenen Pferdefleischer ist, ist es auch ein goldener Dachausbau auf einem Gründerzeithaus. Ob das gülden-futuristisch anmutende Gebilde ästhetisch ansprechend ist? Wir sind geteilter Meinung. Eingezogen ist in dem Dachappartment laut Eugene bisher noch niemand.

Große Schiffgasse 9

Neu-Interpretation von Hundertwasser? Kindergarten? Diese bunte Fassade amüsiert zunächst, immerhin ist dank der Kacheln und geometrischer Formen viel Interpretationsspielraum gegeben.

„Das Haus beherbergt Wohnungen zur Kurzzeit-Vermietung“, erzählt Eugene. Diesen Mietern wird das Außerliche des Hauses wohl egal sein.

Das Dianabad und die Raiffeisen-Zentrale

Dass scheint es nur in Wien zu geben – eine öffentliches Schwimmbad kombiniert mit einer Bank. Von außen ist diese Kombination nur schwer zu erkennen. Das Dianabad schmiegt sich auf seltsame Weise an das Hochhaus der Raiffeisen-Zentrale.

Ministerium

Was laut Eugene an ein Parkhaus in Abu Dhabi erinnert, ist Österreichs Ministerium für Verkehr, Technologie und Innovation. Im Inneren gibt es kaum Tageslicht, dafür eine Bäckerei und ein Wirtshaus. In der Mitte des Foyers steht eine schwarze Statue, zu deren Füßen eine Tafel angebracht ist: „Das Bekenntnis unserer Bauherrschaft zur kulturellen Verantwortung war die Voraussetzung, in kreativer Zusammenarbeit die künstlerische, soziologische und technische Dimension dieses Hauses zu bewältigen.“ Äh, ja.

Collegium Hungaricum

Das ungarische Kulturinstitut in der Hollandstraße steht auf Eugenes Liste ganz oben, „weil es ein Gebäude ist wie ein Unfall, bei dem man einfach nicht wegschauen kann. Was man sich dabei gedacht hat, ist nicht zu erklären.“

Ein Kulturzentrum sollte einladend wirken, dieses hier mit seinen kleinen Fenstern, den roten Fassadenelementen und Aluminiumkonstruktionen wirkt eher ausladend, da hat Eugene recht.

Ugly Tour Wien – die Infos

Der Spaziergang ist englischsprachig, dauert 2 bis 3 Stunden und kostet 10 Euro. Dafür gibt es einen hässlichen Sticker als Erkennungszeichen. Alle Informationen zur „Vienna Ugly“-Tour auf spaceandplace.at

Über Dark Tourism in Wien

DARK.wien ist ein multimediales Projekt im Rahmen des Zertifikatskurses Digitaljournalismus 17/18 am Fjum Wien. Die dunklen Seiten der Stadt erkundeten die fünf Journalistinnen Anita Arneitz, Tamara Bogner, Teresa Freudenthaler, Katharina Kunz und Petra Rosenblattl. Von ihnen stammen Text und Fotos.

Weitere Artikel über die dunkle Seite Wiens inklusive Podcast zum Nachhören:

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