Triest, die Stadt der Winde, ist für vieles bekannt: Zum Beispiel für den guten Kaffee oder die Krimis von Veit Heinichen. Aber die Karst-Gärten kennen nur wenige. Dank der geschickten Hände der Italienerinnen blühen in den tiefen, dunklen Dolinen farbenreiche Blumen und nützliche Heilpflanzen. Grüne Oasen und ihre Beschützerinnen.
Ein mächtiges Loch, das mitten im Garten klafft, umrahmt von Fels und Geröll. Ein Minigebirge mit lehmigen Boden, der an die Wüste erinnert. Ein Albtraum für die meisten Hobbygärtner und Blumenliebhaber. Doch Bruna Blocca aus Padrigiano in Triest lässt sich davon nicht abschrecken. Ganz im Gegenteil. Sie ist sogar richtig stolz auf ihre Doline, die sich bereits vor einigen Jahrzehnten nur wenige Meter hinter ihrem Haus gebildet hat. Die Vertiefung im karstigen Boden ist stattliche zehn Meter tief und fast genauso breit. Solche Dolinen gibt es in und rund um Triest häufig. Meistens entstehen diese, wenn Höhlen im zerklüfteten, porösen Gelände einbrechen.
Die typischen Karstlandschaften mit Dolinen, Schlunden, Hohlräumen oder Rinnen, den sogenannten Karren, wurden an der oberen Adria bereits in der k.u.k. Monarchie erforscht. Dementsprechend umfangreich ist das Wissen über den Karst. Rund 8000 Karsthöhlen soll es geben, dazu kommen unzählige Karstquellen. Durch die Verkarstung des Gesteins, also der Korrosion dessen, ist hier der Boden trotz Regens trocken – und karg.
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Österreichische Erde für Schloss Miramare
Um auf einer Felsklippe prächtige Gärten im englischen und deutschen Stil anzulegen wie im Schloss Miramare ist gewaltiger Aufwand notwendig: Für den 22 Hektar großen Park, erbaut mit dem Schloss um 1860 für den Erzherzog Maximilian von Österreich und seine Frau Charlotte von Belgien, wurden unzählige Zugwaggons mit Erde aus Kärnten und der Steiermark angeliefert. Darauf wurden geometrische Blumenbeete, exotische Pflanzen aus der ganzen Welt, schwarze Pinien, Mammutbäume und Magnolien gepflanzt. Leider wurde ein Großteil der herrlichen Parklandschaft vor einigen Jahren von einem Pilz befallen. Die Sanierung ist kostspielig und zieht sich in die Länge. Trotzdem lohnt sich ein Spaziergang durch den Schlossgarten, der seit 1955 öffentlich zugänglich ist.
Wilder Villengarten Visconti
Nur ein paar Gehminuten vom Schloss Miramare entfernt, wohnt Maria Visconti. Ihr privater Garten ist zwar nicht so prunkvoll wie jener des adeligen Nachbarn, aber ebenso interessant. Der untere Teil ist terrassenförmig angelegt und dient als Nutzgarten mit Blick auf das Meer. Hier holt sich die Hausherrin ihre Inspiration für ihre Blumengemälde. Über schmale Steintreppen, bewachsen von Moos und Efeu, schlängelt sich der Weg durch dichtes Grün nach oben in die Karstklippe. Der Garten wird wilder, abenteuerlicher. Silberwurz, Alpenrose, Krainer Primel oder Tollkraut tauchen auf. Ein bewusstes Kontrastprogramm? Nein, in einem Karstgarten lässt sich nicht alles planen. Garteln funktioniert nur ohne Perfektionismus, weiß Signora Maria.
Kreativer Raum von der Großmutter – mit Angiolina im Garten
Auch Maria Angela Zacchigna, von allen Angiolina genannt, kennt die Tücken des Karst. Für ihren 200 Quadratmeter großen Garten hat sie ein eigenes System entwickelt. Er ist in drei Terrassen aufgeteilt. Direkt beim Haus gibt es gemütliche Sitzecken unter dem Kastanienbaum, wo Angiolina ihr kreatives Wissen in Workshops an Interessierte weitergibt. Auf der einen Terrasse wachsen Obst und Gemüse, auf der anderen Terrasse befindet sich ein Brunnen und zwei Teiche.
Ich gieße immer mit warmen Wasser. Kaltes Wasser ist schlecht für die Blumen, das vertragen sie nicht“, verrät Angiolina eines ihrer Gartengeheimnisse.
Das zweite Erfolgsrezept biegt gerade um die Ecke – Giga und Rosi. Die beiden Hühner dürfen frei herumlaufen und fressen für Angiolina die Insekten. An mancher Stelle erinnern die Beete an einen japanischen Garten. Sorgsam, geschwungen geführt, ähnlich wie Steingärten schaffen sie Weite auf kleinem Raum. „Das haben wir nicht bewusst gestaltet“, erklärt Angiolina. Den Garten hat sie von ihrer Großmutter übernommen, dieser dürfte bereits vor rund 150 Jahren angelegt worden sein.
Treff der Gartenfreunde: Triest
Sonntags besucht Angiolina den botanischen Garten der Stadt, den Civico Orto Botanico, um günstig Samen zu tauschen oder verkaufen. Exotische Pflanzen sind genauso zu finden, wie typische Karstpflanzen. Dazu zählen das gelbe Tommasini-Fingerkraut, die lila Flockenblume, blaue Schwertlilien oder das Federgras. Einmal im Jahr wird ein Index mit allen Pflanzenarten und deren Samen veröffentlicht. Der botanische Garten mitten in der Stadt blickt auf eine lange Geschichte zurück. Angefangen hat alles 1842 mit einem Experiment des Botanikers und Pharmazeuten Bartolomeo Biasoletto. Er wollte testen, ob die österreichische Schwarzkiefer auch auf karstigen Boden wachsen kann. Heute ist der 90 Hektar große Wald ist ein Naturschutzgebiet. Der dazugehörige botanische Garten mit mehr als 1200 Pflanzen wurde vor 16 Jahren revitalisiert und öffentlich zugänglich gemacht. Während Wissenschaftler weiter forschen, tauschen sich Hobbygärtner beim kleinen Empfangshäuschen aus oder lassen sich in einen der Liegestühle fallen, um die Sonne zu genießen.
Pflanzen mit Geschichte: Botanischer Garten
Elf verschiedene Bereiche können entdeckt werden, darunter einige Kuriositäten. Es werden Pflanzen zum Färben und Waschen von Textilien, Wildpflanzen oder alte Heilkräuter vorgestellt. Die Beete sind beschildert, damit das alte Wissen über die Pflanzen bewahrt und weitergetragen wird. Besonders fasziniert sind die Besucher vom Garten der Giftpflanzen. Hier wird klar: Die Dosis macht das Gift. In der Sammlung der „magischen“ Pflanzen dreht sich alles um Henna, Rizinus und Weihrauch. Magisch wird bei den Italienern in diesem Fall nicht als Anregung zum Aberglauben verwendet, sondern als Metapher für die Beziehung zur Natur. Daher werden in diesem Bereich alle wichtigen Pflanzen vorgestellt, die eine religiöse oder mythologische Bedeutung haben. Danach lohnt sich ein Abstecher in den Stadtpark. Dieser ist der ehemalige Landsitz von Baron Pasquale Revoltella, der einst den Sueskanal mitfinanzierte und unter anderem den Grundstein für die Universität Triest legte. Sein grünes Vermächtnis wahrt die Stadt. Jeder kann durch die Gartenanlage aus dem 19. Jahrhundert spazieren und auf die Lichter von Triest blicken.
Dolinen-Zauber
Wenn Bruna Blocca am Abend hinunter in ihre Doline blickt, sieht sie ebenfalls Lichter. Im Sommer ist der Kiesweg, der in die Tiefe führt, beleuchtet. Es geht vorbei an Rosen, Lavendel und Salbei. Mit jedem Schritt wird es kühler, die Vegetation verändert sich. Es herrscht ein eigenes Mikroklima in der Vertiefung. Buschwindröschen, Muschelblümchen, Blaustern, Farne oder Moose fühlen sich unter diesen Bedingungen wohl. Meterhohe Bäume schließen über den Köpfen der zarten Blumen schützend ihr Blätterdach. Nur selten schafft es ein Sonnenstrahl bis auf den Boden. Signora Bruna hat trotz schwieriger Bedingungen eine romantische Gartenwelt geschaffen. Ihr Dolinengarten zeigt, wie schön es im Schatten und wie grün der Karst sein kann.
Tipps für Triest:
Wer durch die Triestiner Privatgärten wandeln möchte, kann sich bei den Gartenfreunden Friauls (www.amicigiardino.it) über den Tag der offenen Tür informieren, eine Führung bei Angolina (www.ilgiardinodiangiolina.org) buchen oder kostenlos durch Stadtpark und botanischen Garten streifen. Tagesfahrten zu Gärten in den Alpen-Adria-Raum organisiert auch TLS Reisekultur (www.tlsreisekultur.at).
Alle Fotos: Anita Arneitz
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