Stündlich was zum Staunen: Kunstschätze und Städte in Thüringen

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Städte in Thüringen: Wo einst Denker und Dichter lustwandelten, lässt es sich heute genussvoll zwischen Fachwerkhäuschen und prunkvollen Schlössern lustwandeln.

Einmal Soße ohne alles, bitte!

Das ist der Moment, in dem die gaumenverwöhnten Österreicher in Thüringen hellhörig werden und Tapferkeit beweisen müssen. Im schicken Restaurant in Erfurt wird gerade am Nachbartisch ein Wienerschnitzel auf brutale Weise ertränkt. Wenn es ums Essen geht, kennen die Einheimischen kein Mitleid. Ob Bratwurst, Rindsroulade oder Kloß – jedes Essen muss schwimmen. Aber die Kulinarik ist nicht das Einzige, was die Besucher zum Staunen bringt. Vor allem sind es die vielen gemütlichen Städte und prachtvollen Schlösser. Längst haben die Häuser ihr langweiliges DDR-Grau gegen farbenfrohe Anstriche getauscht und die ehrwürdigen Residenzen erstrahlen frisch renoviert prunkvoller denn je. Jede Stadt und jedes Schloss hat einen eigenen Charakter. Manche übertrumpfen sich gegenseitig mit ihren kulturellen Schätzen und geheimnisvollen Geschichten rund um berühmte Adelige oder Dichter. Kommt mit auf eine Reise durch die Städte in Thüringen.

Mit dem Rad von Stadt zu Stadt

Sieben der schönsten Städte Thüringens sind durch einen Radfernweg miteinander verbunden. Angesichts der deftigen Küche eine durchaus figurfreundliche Fortbewegungsart. Im Schatten mächtiger Bäume, flankiert von Mohnblumen, wird in Eisenach gestartet. Hier thront über dem Zentrum die Wartburg, die von großer historischer Bedeutung ist. Hinter den dicken Mauern der Festung übersetzte einst Martin Luther das Neue Testament, Richard Wagner wurde zu seiner Oper „Tannhäuser“ inspiriert, die Heilige Elisabeth erlebte ein Rosenwunder und Minnesänger lieferten sich melodische Gefechte mit romantischen Worten. Tausend Jahre Geschichte breiten sich kurzweilig in den prunkvollen Räumen aus. Schnell wird klar, selbst das Mittelalter war nicht immer dunkel und trist.

Gotha: Schauspiel für alle Sinne

In Gotha wartet bereits das Schloss Friedenstein. Die barocken Gemäuer sind bis zum Dachgiebel mit Kunst und Skurrilität gefüllt. Aber all das ist nichts im Vergleich zum alten Schlosstheater und seinen Bühnenmaschinen aus dem 17. Jahrhundert. Wenn das Glöckchen ertönt, hält das Publikum seinen Atem an. 15 starke Männer bauen die Kulisse innerhalb von Sekunden um. Sie drehen die Windmaschine, lassen für den Donner Kugeln einen Holzschacht hinab poltern und imitieren das prasselnde Geräusch des Regens mit getrockneten Erbsen.

Wechmar in Thüringen, Foto Anita Arneitz
Wechmar in Thüringen, Foto Anita Arneitz

Wechmar: Tuchfühlung mit der Bachdynastie

Die Bühne knarrt und krächzt genauso wie der Holzboden im Oberbackhaus im naheliegenden Wechmar. Hier hat sich der Ururgroßvater von Johann Sebastian Bach als Bäcker und Spielmann niedergelassen. Im kleinen Dörfchen dreht sich alles um die musikalische Familie. Akribisch wird ihr Stammbaum dokumentiert, der an die 1500 Personen aus aller Welt umfasst. „Es ist eine Wissenschaft für sich“, schmunzelt Annett Bückinx bei einer Führung durchs Stammhaus. Insgeheim ist sie froh, dass nicht jeder Bach so fruchtbar ist wie der berühmte Komponist. Der hatte 20 Kinder. „Wir sind der Ursprung der bach´schen Musikalität“, verkündet Hans Hochberg aus Wechmar stolz. Denn mit dem Klappern des Mühlrades hätten die Bachs den Takt der Musik gelernt. Ein angenehmer Rhythmus, der Genussstrampler zügig nach Erfurt bringt.

Mariendom und Severinkirche in Erfurt, Foto Anita Arneitz
Mariendom und Severinkirche in Erfurt, Foto Anita Arneitz

Schatzsuche in Erfurt

Herausgeputzte Fassaden, verwinkelte Gässchen und gemütliche Gastgärten am Flussufer – Erfurts Altstadt begeistert auf Anhieb. Mit einer Länge von 120 Metern und 32 Häusern ist die Krämerbrücke die längste komplett bebaute Brückenstraße Europas. Stundenlang könnten darauf die kleinen Läden durchstöbert werden, gebe es nicht noch einen Schatz zu entdecken. Dieser ist im Gewölbe der alten Synagoge zu finden und noch recht neu. Erst vor fünf Jahren wurden die Gold- und Silbermünzen sowie der aufwendige jüdische Schmuck zufällig bei Bauarbeiten gefunden. Es lohnt sich also ein paar Stunden mehr für den Stadtbummel einzuplanen, um ohne Hektik über die Pflastersteine zu bummeln und den legendären „Eierlikör to go“ zu probieren. Mit Garantie sind am Ende des Tages die Taschen gefüllt mit Köstlichkeiten und hübschen Mitbringseln.

Schillers Gartenhaus in Jena, Foto Anita Arneitz
Schillers Gartenhaus in Jena, Foto Anita Arneitz

Party alla Werther und Goethe: Jena

Ein komplettes Kontrastprogramm hingegen ist Jena. Als Studentenhochburg ist die Stadt bunt und kreativ. Manche würden sogar sagen ein wenig verrückt. Denn der Bahnhof wird als Paradies bezeichnet, eine Wohnsiedlung als Himmel und die Sehenswürdigkeiten als sieben Wunder. Wer diese Wunder live erleben will, radelt am besten, da diese recht weit auseinanderliegen. Aber allein schon wegen der Statue des Erlkönigs und der Legende rund um den Ort seiner Entstehung lohnt es sich in die Pedale zu treten.

Leuchtenburg, Foto Anita Arneitz
Leuchtenburg, Foto Anita Arneitz

Wo Scherben Glück bringen: Leuchtenburg

Porzellan? Zugegeben, das klingt nicht besonders spannend. Insbesondere wenn dahinter noch das Wort Museum folgt. Doch in Thüringen ist alles ein wenig anders. Auch die Leuchtenburg, die mit einer multimedialen Erlebniswelt rund ums einheimische Porzellan aus ihrem Dornröschenschlaf wachgeküsst wurde. Mutige treten hier auf den Skywalk und werfen vergnüglich Teller in den Abgrund. Zerschnellt dieser am Felsen, soll der darauf geschriebene Wunsch in Erfüllung gehen. In verschiedenen Themenwelten wird das Porzellan von seinem langweiligen Image entstaubt. In der alten Burg taucht man ab auf den Meeresgrund und entdeckt das alte asiatische Schiff mit seinen tausenden Porzellanschätzen. 500 Jahre lag das Porzellan am Meeresgrund, jetzt werden die ersten Stücke geborgen – und einige davon sind bereits in der Leuchtenburg ausgestellt. Im alten Verließ erzählen die Steine von den Verhören, Porzellanköpfe erwachen zum Leben und Burgziegen fungieren als natürliche Gartengestalter – die Inszenierungen laden Groß und Klein zum Ausprobieren und Mitmachen ein. Im Museumsshops können handgemachte Stücke aus der Region gekauft werden. Wem das zu wenig an Auswahl ist, schnappt sich einen Folder und fährt die Manufakturen in der Umgebung ab.

Weimar, Foto Anita Arneitz
Weimar, Foto Anita Arneitz

Weimar: Ein Muss!

Weimar ist Musik. Weimar ist klassisch. Weimar kann aber auch anders. Unter vorgehaltener Hand wird getuschelt. Gerüchte verbreiten sich wie Lauffeuer. Gesellschaftliche Fauxpas schaffen es zwar nicht in die Geschichtsbücher, aber dafür in die landesweiten Gazetten. Dort wo sich Prominente bewegen, folgt ihnen der Tratsch. Das ist heute nicht anders wie vor hundert Jahren. Geredet wird immer. Zum Beispiel darüber was Goethe diesmal aus seinem Garten holte, um es mit ein paar lyrischen Zeilen an seine Liebste zu schicken. Von Waldbeeren bis zum Spargel war angeblich alles dabei. Oder was Bach vier Wochen lang in seiner Gefängniszelle tat und welche Rolle der Musiklehrer in Monroes Leben spielte. An jeder Ecke lauert eine Geschichte aus der Vergangenheit. Um jedes Haus scheinen Geister zu schweben. Aber auch sie wissen nicht, wohin Schillers Gebeine verschwunden sind. Dreimal wurde er begraben. Doch der Sarg ist leer. Solche Geschichten gibt es zu Hauf. Luther, Goethe, Schiller und Monroe – es waren eben schon alle da. An jeder Ecke lauert eine amüsante Episode aus dem Leben der kunstsinnigen Gäste. Wer davon nichts mehr hören will, setzt sich einfach in den Park oder geht ins Open-Air-Konzert, wo statt Klassik kanadischer Jazz erklingt.

Blick über Thüringen von der Leuchtenburg, Foto Anita Arneitz
Blick über Thüringen von der Leuchtenburg, Foto Anita Arneitz

Herz ist Trumpf in Altenburg

In Altenburg müssen Ankömmlinge einen Stopp beim Skartbrunnen einlegen und sich einem alten Ritual beugen: Zuerst werden die Spielkarten unter das Wasser des Brunnens gehalten und dann die Schnauze vom Messingschwein gestreichelt. Das soll jedem ein gutes Blatt bringen und ist in Altenburg enorm wichtig. Besiegelt wird das Ganze mit hochprozentigem, genannt Brunnenwasser. Vor 200 Jahren erfanden die Altenburger das Skatspiel – und hatten Glück damit. Noch immer werden hier die Spielkarten produziert. Im Schloss gibt ein Museum und eine Spielkartensammlung Einblick in die Geschichte. Bereits Friedrich Barbarossa erkannte den strategisch gut gelegenen Platz auf dem Felsen und baute seine Pfalz. Er war es auch der der Stadt ihr Wahrzeichen gab – die beiden romanischen Türme als letzter erhaltener Teil der Marienkirche des sogenannten Bergerklosters. Barbarossa hat mit dem Kloster einen der ältesten Backsteinbauten Deutschlands geschaffen. Sie sind bekannt als die roten Spitzen und bilden mit dem Schloss sowie dem Kloster ein machtvolles Dreieck. Später wurde das Schloss die Residenz der Wettiner Fürsten und besticht durch seine architektonische Vielfalt. Deshalb präsentiert sich die Stadt gerne als historischer Nabel von Mitteldeutschland. Zumindest eine kleine Zeitreise ist der Besuch des Marktes, auf dem es vom BH bis zur Zwiebel alles für den täglichen Bedarf zu kaufen gibt. Inklusive der Soßen für das Abendessen.

Romantikhotel Wartburg in Thüringen, Foto Anita Arneitz
Romantikhotel Wartburg in Thüringen, Foto Anita Arneitz

Tipps für den Urlaub in Thüringen

Thüringer Städtekette

Der Radfernweg verbindet die Thüringer Städte Eisenach, Gotha, Erfurt, Weimar, Jena, Gera und Altenburg. Die 230 Kilometer lassen sich gut auf mehrere Etappen aufteilen und sind mit Familie leicht zu schaffen. Zudem sind alle Städte an das Streckennetz der Deutschen Bahn angeschlossen, so können Abschnitte bequem per Zug abgekürzt werden. Im Regionalverkehr kann das Fahrrad kostenlos mitgenommen werden. www.thueringer-staedtekette.de

  • Tourenplanung: Mit App und Webseite kann jeder von zu Hause seine Tour mit detaillierten Karten, Wegbeschreibungen, Höhenprofilen und GPS-Tracks kostenlos planen. www.radroutenplaner.thueringen.de
  • Radreisezeit: April bis Ende September. Entlang der Städtekette gibt es eine Vielzahl von radfahrerfreundlichen Gastgebern. Leihfahrräder und Pauschalen können vorab bei Mario Hirt von Travel Butler gebucht werden. www.radfahren-in-thueringen.info.
  • Anreise: Am besten mit dem Zug. Mit der ICE-Verbindung nach Erfurt haben sich die Fahrtzeiten von München und Berlin wesentlich verkürzt.

Sehenswürdigkeiten und Ausflüge in Thüringen

  • Unesco Weltkulturerbe Wartburg gibt einen Einblick in die bunte Geschichte Thüringens. Eine Führung lohnt sich. www.wartburg.de
  • Schloss Friedenstein in Gotha mit herzoglichem Museum, eine Reise durch die Barockzeit inklusive skurriler Sammelleidenschaften einstiger Regenten. www.stiftungfriedenstein.de
  • Bach-Stammhaus und Veit-Bach-Obermühle in Wechmar, für alle, die wissen wollen, wo die Musikalität der Bach-Familie ihren Anfang nahm. www.bach-stammhaus-wechmar.de
  • Porzellanwelten Leuchtenburg, eine unterhaltsame Erlebnis-Ausstellung über das weiße Gold mit interaktiven Elementen. www.leuchtenburg.de
  • Besonderes Bühnenerlebnis: Auf Schloss Friedenstein sowie auf den Treppen des Domes in Erfurt wird im Juli und August Theater gespielt. Livekonzerte von Jazz bis Rock gibt es im Sommer in Weimar im Zeughaus.
  • Stadtführung in Weimar. Von März bis Oktober finden diese täglich von 10 bis 14 und Samstag zusätzlich um 15 Uhr statt. Von November bis Februar täglich nur um 11 Uhr. Startpunkt und Tickets gibt es bei der Touristeninformation am Markplatz. Mit der Weimar Card ist der Stadtrundgang und die Stadtbusse inklusive. www.weimar.de

Restaurant Tipps in Thüringen

  • Idyllisches Gut zwischen Burgen: Direkt beim Radweg liegt das Gut Ringhofen mit dem Restaurant Taubennest in Mühlberg. Extra-große Portionen für hungrige Radler. www.hotel-taubennest.de
  • Typisch Thüringer Küche: Im Restaurant Kromers in Erfurt wird traditionell gekocht, schöner Gastgarten. www.kromers-restaurant.de
  • Schlemmen am Wasser ist im Restaurant Pier 37 in Erfurt möglich. Ein gemütlicher Platz mit junger, kreativer Küche. www.pier37.de
  • Mitten im Wald speisen Radler im Gasthaus Balsamine, vor allem die fangfrischen Forellen sind zu empfehlen. Aber es liegt etwas abseits vom Radweg. www.waldgasthaus-balsamine.de
  • Schöner Innenhof und gut essen in Weimar: www.johannshof-weimar.de
  • Köstlicher Mutzbraten direkt am Marktplatz von Altenburg: www.ratskeller-altenburg.de
  • Tafelspitz, Goethes Lieblingsspeise, direkt im Schloss: www.schlossrestaurant-kochberg.de

Hotels in Thüringen

  • Romantik Hotel auf der Wartburg: Direkt neben der Burg logieren und einen herrlichen Ausblick genießen. www.wartburghotel.de
  • Geschichtsträchtiges Haus in Eisenach: Das Steigenberger Hotel Thüringer Hof liegt zentral im Herzen von Eisenach, ist vom Bahnhof aus zu Fuß erreichbar. www.steigenberger.de
  • Mitten im Geschehen: Das moderne Hotel Am Kaisersaal liegt mitten in der Altstadt von Erfurt. Alle Sehenswürdigkeiten wie die Krämerbrücke liegen quasi vor der Hoteltür. www.bachmann-hotels.de 
  • Im ehemaligen Zeiss-Gebäude in Jena ist das Steigenberger Esplanade untergebracht, interessante Architektur, zentrale Lage. www.steigenberger.com
  • Traditionshaus in Weimar: Im Best Western Premier Grand Hotel Russischer Hof stieg schon so mancher Promi ab, direkt bei der Fußgängerzone. www.russischerhof-weimar.de
  • Über den Dächern von Weimar klingt der Abend auf der Terrasse im Restaurant „Gretchens“ aus. Zum Restaurant gehört ein Familienhotel mit nachhaltiger Architektur. www.gretchens-weimar.de.
  • Praktisch gelegenes Stadthotel in Weimar, zwischen Belvedere und der Innenstadt: www.leonardo-hotels.com
  • Auf Vordermann gebrachtes ehemaliges Ferienhaus direkt am Stausee: www.bio-seehotel-zeulenroda.de
  • Einfaches, uriges Landhotel in der Nähe von Rudolstadt: www.landhotel-edelhof.de

 Allgemeine Informationen:  www.thueringen-entdecken.de, www.schatzkammer-thueringen.de

Pause in Erfurt, Foto Anita Arneitz
Pause in Erfurt, Foto Anita Arneitz

Die Recherche wurde unterstützt von Thüringen Tourismus.

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