Wildes Gedränge auf der Ponte Vecchio in Florenz, Wirbel am Piazza del Campo in Siena? Nein, danke. Nur eine halbe Autostunde von den Ballungszentren entfernt, zeigt sich die Toskana von ihrer entspannten Seite. Drei besondere Kleinode für einen genussvollen Urlaub.
Der Kuckuck ruft durch den Garten als würde er wissen, dass Grazia schon längst in der Küche steht und das Frühstück richtet. Die Luft riecht frisch und süß nach Lavendel, der Ausblick ins Tal mit den grünen Weinbergen kaum zu übertreffen.
Gemeinsam mit ihrem Mann Riccardo hat Grazia hier San Donato in Fronzano in der Gemeinde Reggello, mitten im Chianti-Gebiet, ihren Traum vom kleinen feinen Gutshof verwirklicht. Jedes der Zimmer ist einem toskanischen Handwerker gewidmet – dem Fiaccheraio (Kutscher), Vasaio (Töpfer), Stagnino (Klempner), Conciaio (Gerber) der Cappellaio (Hutmacher). Auch in der Küche versucht Grazia die toskanische Tradition hoch zu halten und serviert Schinkenmousse mit Brot, Zucchini-Frittata, Tiramisu – und den Wein vom Nachbarn.
Um wieder Platz im Magen zu schaffen, bieten sich Wanderungen durchs Weingebiet an. Die unberührten Wälder und Berge östlich kennt kaum jemand. Im Naturreservat Vallombrosa gibt es zum Beispiel die schönsten Schwarztannen Italiens, findet Riccardo. Romantiker fahren in das kleine Städtchen Greve in Chianti, das ein wenig an Siena erinnert, aber wesentlich ruhiger und überschaubarer ist. Der Markt am Samstag zählt zu den besten in der Gegend und da wird dem Spanferkel schon einmal als Dekoration einen Banane in den Mund gesteckt. Fashionista machen die Outlets in der Umgebung unsicher – Prada oder Dolce&Gabbana haben gleich ums Eck ihre Produktionsstätten.
Kunst für besseren Wein
Das Castello di Ama in Gaiole in Chianti ist Dorf, Weingut und Kunststätte zugleich. Seit 1999 kommt jedes eine neue Kunstinstallation dazu. In der kleine Kapelle wurde zum Meditationsraum mit optischen Täuschungen, im Garten geben überdimensionale Spiegel eine andere Perspektive auf die Landschaft und im Weinkeller hängen die Gläser an der Gewölbedecke. „Wir glauben durch die Kunst können wir besseren Wein machen“, sagt Lorenza Sebasti Pallanti. Sie hat vor 25 Jahren in die Familie eingeheiratet und teilt die Leidenschaft für ausgefallene Ideen. Bereits vor 300 Jahren wurde der Wein vom Castello di Ama als einer der besten in der Toskana erwähnt, daran hat sich bis heute nicht viel verändert. Ihr Mann Marco führt das Weingut mit großem Respekt vor der Natur und stellt Qualität über alles. „Was Wein, Kunst und diesen Ort anbelangt, sind wir eben verrückt“, sagt Lorenza und zuckt mit den Schultern. Wer selbst über die abgewetzten Pflastersteine geht, in die Steinhäuschen blickt oder den Wein probiert, spürt ihre Liebe und Leidenschaft zum Castello.
Ein Dorf als Luxushotel
Rund eine Autostunde von Florenz entfernt liegt umgeben von Weinbergen und 15.000 Olivenbäumen das kleine Dörfchen San Felice. Bereits im sechsten Jahrhundert vor Christi Geburt war die Gegend besiedelt, davon zeugen einige etruskische Gräber. Bis zum Jahr 714 haben sich die Bischöfe von Arezzo und Siena um die Kapelle im Ort gestritten, die als die älteste Kirche der Region gilt und 998 zur Pfarrei wurde. Ab dem 19. Jahrhundert wurde San Felice berühmt für seinen Wein und das Olivenöl. Zu diesem Zeitpunkt gehörte San Felice dem Grafen Grisaldi del Taja, dessen Familie zu den Gründern des „Consorzio del Chianti Classico“ im Jahr 1924 zählt. Das Gebiet „Chianti Classico“ besiegelte durch den Zusammenschluss seine Identität und positionierte sich am Markt. Doch dann setzte die Landflucht ein. Der zweite Weltkrieg brachte das Gut in Schwierigkeiten. Es wurde verkauft und verfiel in einen tiefen Dornröschenschlaf. Jahrzehnte später verliebte sich ein edler Ritter in Gestalt der Versicherungs-Gruppe in das Kleinod und begann es zu restaurieren. Heute verfügt das Hotel über 33 Zimmer und 20 Suiten, alle innerhalb des Dorfes zerstreut. Die Italiener nennen das „albergo diffuso“. Damit konnte der Charme des Dorfes erhalten werden. Nur wird jetzt in der alten Werkstatt auf Sterneniveau gekocht, in der ehemaligen Schule und im Herrenhaus fürstlich residiert, in der Ölmühle entspannt, im Weinkellner Chianti verkostet und mittendrin lebt noch der eine oder andere Einheimische.
Alle Fotos: Anita Arneitz
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