Live aus China

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Die gebürtige Villacherin Cornelia Vospernik ist erste ständige ORF-Korrespondentin in China. Im Gespräch mit der „Kärntnerin“ gibt sie Einblick in ihre Arbeit und das Leben in Peking.

Live aus China: Interview mit Cornelia Vospernik

 

Sie sind in Kärnten aufgewachsen. Was sind Ihre liebsten Kindheitserinnerungen?
Stundenlang auf dem Dachboden zu spielen oder unbeschwert durch die Landschaft zu streifen. Ich glaube, dass das heute nur noch die wenigsten Kinder können.

Wollten Sie von klein auf Journalistin und Dolmetscherin werden?
Ich wollte schon mit 15 Journalistin werden und hatte in diesem Alter auch mein erstes Praktikum. Dolmetsch habe ich studiert, weil es hieß, “ich solle etwas studieren”. Es war das richtige Studium für mich, denn ich bin ein praktischer Mensch und habe damit eine zweite Ausbildung erhalten und auch gerne als Simultandolmetscherin gearbeitet. Außerdem glaube ich, dass die Konzentration beim Dolmetschen ein gutes Training für meine heutige Arbeit war: Man lernt, blitzschnell das Grundlegende zu erfassen und es für die Zielgruppe wieder zu geben, ohne zu stottern.

Wie war Ihr Einstieg in die Medienwelt?
Ich war Ferialpraktikantin an der slowenischen Abteilung des ORF. Dort ging es so locker zu, dass man mich sofort mit einem Radio-Aufnahmegerät hinaus geschickt hat. Ich habe erst Radio, dann Fernsehen “learning by doing” erlernt, in einer Zeit, in der wir das Glück hatten, von perfekten Technikern betreut zu werden. Obwohl wir im Radio längst nicht mehr mit Bändern arbeiten, wende ich einige Tricks noch immer an. Und was Bildsprache ist, habe ich gelernt, weil ich mit Kameraleuten, die von Akademien kamen, angefangen habe.

Was waren die größten Herausforderungen bei der Entscheidung nach China zu gehen?
Die Herausforderung war eine doppelte: Erstens konnte ich die Sprache nicht und zweitens ging es in China darum, ein Büro völlig neu aufzubauen, was ich in meiner Zeit in London nicht musste oder besser, nicht die Ehre hatte, zu tun. Letzteres war das wirklich Spannende. Ich konnte sozusagen die Berichterstattung aus einem Land für den ORF völlig neu “erfinden”. Das ist eine einmalige Erfahrung. Und ich kann heute sagen, dass dieses Büro etabliert ist, gut läuft und ich es einmal mit Freude übergeben kann. Und das ist eine Nachhaltigkeit, die man als Journalist auch nicht alle Tage hat.

Was fasziniert Sie an China?
Kurzum: alles. Diese allgegenwärtige Widersprüchlichkeit, zwischen dem politischen System und der Wirtschaft, Stadt und Land, Reichtum und Armut, ist ein nicht enden wollender Quell an Geschichten. Mich fasziniert auch das Hässliche, das Abstoßende. Mich fasziniert, wie sich Dinge aus chinesischer Sicht völlig anders darstellen als aus westlicher. Das erweitert mein Denken und meine Weltsicht. Mich fasziniert, bei einem Experiment Zeugin zu sein. Ich beobachte den Aufstieg eines Landes, von dem heute niemand sagen kann, wie es in 30 Jahren aussehen wird.

Wie kann man sich die Arbeit als Korrespondentin in China vorstellen?
Für Korrespondenten gibt es keinen geregelten Tagesablauf. Wenn eine große aktuelle Geschichte “ausbricht”, beginnt die Berichterstattung mit den Radio-Frühnachrichten und endet mit der ZiB. Man kann 20-Stunden-Tage haben, was zum Glück nicht oft vorkommt. Was aktuell planbar ist, wird voraus geplant. Daneben suche ich immer selbst nach Geschichten, von denen ich hoffe, dass sich die Produktion nicht mit irgendeiner Aktualität überschneiden wird. Der überwiegende Teil der Geschichten aus China sind Angebote von mir an die Zentrale, nicht Bestellungen. Und ich arbeite für alle. Wenn es die Kapazität erlaubt, mache ich Geschichten für Landesstudios, ich beliefere Ö3, ich plaudere immer wieder mit FM4, ich habe in Peking zwei Dokumentationen gedreht und nehme gerade eine neue lange Sendung in Angriff. Also: Korrespondenten müssen Universalisten sein. Und mir macht es großen Spaß, für zwei Medien und verschiedene Abteilungen zu arbeiten.

Wie ist das Leben als Frau in China?
Wenn Sie damit mein Leben als Frau meinen, großartig! Jeder Ausländer wird ihnen bestätigen, dass man in China toll leben kann, vor allem mit einem ausländischen Gehalt. Die chinesischen Frauen hingegen sind oft ein Mysterium für mich. Da gibt es zum einen diese gestandenen Landfrauen, denen man wirklich ansieht, dass sie das Land zusammenhalten, neben denen die Männer immer wie “Flaschen” wirken, Frauen, die von einer unglaublichen Herzlichkeit sind, es gibt in China eine Menge einfach “patenter”, toller, geerdeter Frauen. Aber dann gibt es auch den Typ bitterböse Managerin, mit der das Verhandeln um Ecken schwerer ist als mit einem Mann, sie sind irrational, herrschsüchtig und immer umgeben von einer Masse an Assistentinnen. Und dann gibt es den jungen Stadttyp, den ich immer wieder fast als Beleidigung für alle Frauen und den Kampf um Gleichberechtigung verstehe. Das sind, schlicht gesagt, Tussis, die genau wissen, dass sie ein Kapital haben: ihre Jugend und Schönheit. Und damit versuchen sie sich den reichsten verfügbaren Mann zu angeln. Sie treten nur in Gruppen auf, kichern permanent und sind extrem kindisch in ihrem Gehabe und in ihrem Aussehen. Das Frauenbild in China ist immer noch sehr traditionell, und ich finde es erschreckend zu sehen, wenn sich selbst manche, nicht alle, Universitätsstudentinnen gebärden wie kleine Mädchen.

Würden Sie jungen Frauen empfehlen ins Ausland zu gehen?
Ich würde nicht nur jeder jungen Frau, sondern schlichtweg jedem empfehlen, einmal ins Ausland zu gehen. Ich wäre sogar dafür, bei Studien, wenn nicht gar schon an der Mittelschule, ein verpflichtendes Auslandsjahr einzuführen. In Großbritannien gibt es eine schöne Tradition: Nach der Reifeprüfung fährt man ein Jahr lang rund um die Welt bevor man sein Studium beginnt. Das hat schon seinen Grund: Man muss über seinen Tellerrand hinausblicken. Das relativiert vieles. Und ich lasse mich gerne eines besseren belehren. Immer seine eigenen, vorgefertigten Gedanken zu wälzen und keine neuen Erkenntnisse zuzulassen, bringt einen nicht weiter.

Wie wichtig sind Ihnen Netzwerke?
Ich war nie eine Netzwerkerin. Ich hatte auch nie einen Karriereplan, ich wollte einfach nur als Journalistin arbeiten und dabei haben sich immer neue Perspektiven ergeben.

Was bedeutet Ihnen Erfolg?
Für mich ist Erfolg, wenn ich meine Fähigkeiten ausleben kann. Über eine Karriereleiter habe ich dabei nie nachgedacht. Die Karriere hat sich ergeben.

Ihr Tipp für junge Frauen?
Konzentrieren Sie sich nicht auf Positionen, sondern auf Funktionen. Mit anderen Worten: was Sie machen, sollte über dem stehen, wie Ihr Posten benannt wird. Es kann für Sie und das Unternehmen besser sein, wenn Sie in der Hierarchie unten sind, aber dort Spaß an Ihrer Arbeit haben als weiter oben zu sein und den Tag in Sitzungen zu verbringen. Arbeiten Sie in einem Team, in dem Sie sich wohl fühlen. Sie verbringen schließlich sehr viel Zeit mit diesen Menschen. Schaffen Sie sich Ihre Expertise, Ihre Nische. Vielleicht werden Sie sich dabei manchmal zu wenig beachtet fühlen, aber kein Chef übersieht dauerhaft gute Arbeit.

Was möchten Sie in Zukunft unbedingt noch machen?
Garantiert etwas, das mich fordert, freut, eine Weiterentwicklung ist, kein Rückschritt, kein Alltagstrott. Wie der Job heißt und wo er in der Unternehmenshierarchie steht, ist irrelevant. Daher könnte es auch eine Tischlerlehre sein oder ein Roman.

Wie tanken Sie Kraft?
Ich glaube, ich bin ein perpetuum mobile. Viel zu arbeiten gibt mir Kraft. Nur Unterforderung saugt mir wirklich Energie ab. Zudem umgebe ich mich nicht mehr mit Menschen, die alles nur negativ sehen und ständig jammern und kritisieren, denn das saugt mir auch Energie ab. Wenn der Geist nicht zur Ruhe kommen will, wische ich den Boden. Das beruhigt den Geist. Um den Geist in andere Bahnen zu lenken, lese ich ein Buch und genieße, völlig in diese Geschichte hineinzukippen. Das entspannt sehr. Vor allem aber gibt es jede Woche eine Massage.

Kurz gefragt
Mein Lebensmotto ist…Es geht sich immer alles aus. Und wenn sich etwas nicht ausgeht, hat das auch einen höheren Sinn, weil die Alternative, die sich auftut besser sein wird als das, was man ursprünglich gewollt hat.
Mein letztes Geld würde ich ausgeben für… etwas zum Essen und Trinken, wofür sonst?
Darüber kann ich lachen… über alles Absurde. Die Welt ist voll davon. Und über mich selbst.
Das letzte Buch, welches ich gelesen habe…Atemschaukel. Grandios! Lange kein so schönes Deutsch mehr gelesen!
In 20 Jahren werde ich… hoffentlich längst ein Haus mit Garten haben und endlich den Roman geschrieben.
Mein größter Erfolg war… dass ich für etwas, was ich gern mache auch noch Geld bekomme.
Frauen sind… auch nur Menschen. Das gilt im Übrigen auch für Männer.
Kärnten ist… leider humorlos. Es sollte mehr über sich lachen. Drüberstehen. Und nicht nur im Fasching.

Buchtipp
In China
Reportagen abseits der Schlagzeilen
160 Seiten
ISBN: 978-3-218-00796-2

Cornelia Vospernik wurde 1969 in Villach geboren, wuchs zweisprachig auf und besuchte das Bundesgymnasium für Slowenen in Klagenfurt. Bereits mit 15 Jahren begann sie beim ORF. Nach der Matura an der internationalen Schule in Duino bei Triest begann Vospernik in Graz ein Dolmetschstudium für Slowenien und Italienisch, während des gesamten Studiums arbeitete sie immer wieder für den ORF. 1996 folgte der Wechsel in die Redaktion der „Zeit im Bild“ nach Wien. Ab 2000 war sie Auslandskorrespondentin in London, seit Anfang 2007 ist Vospernik Leiterin des ORF-Korrespondentenbüros für China und den fernöstlichen Raum in Peking. 2009 wurde sie mit Concordia-Publizistikpreis ausgezeichnet. Außerdem ist sie erfolgreiche Buchautorin.

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